NeuFundLand

Deutschland 2001-2003 Spielfilm

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Horst Peter Koll, film-dienst, Nr. 1, 01.01.2004

Man müsse den Blick auf die Dinge richten, die ständig übersehen würden; da gäbe es dann auch noch etwas zu entdecken. So sinniert der Feinmechaniker Robert, womit er das Credo seiner vor fünf Jahren bei einem Unfall gestorbenen Frau aufgreift. Ihren Tod hat Robert noch nicht annähernd überwunden, und nun macht er sich auf und davon, verlässt Köln im Kleinlaster mit großem Wohnanhänger und reist, ohne festen Wohnsitz, durch den deutschen Osten. Mit dem Aufstellen mobiler Münzfernrohre will er seinen Lebensunterhalt bestreiten, quasi nach dem Motto: "Man will durch ein Fernrohr doch einmal in ein unbekanntes Land blicken". Als er eines Tages, irgendwo in Sachsen, selbst einen kontrollierenden Blick durch ein Fernrohr wirft, sieht er eine junge Frau und ist schockiert: Sie ähnelt auf geradezu unheimliche Weise seiner toten Frau. Robert folgt ihr, macht ihre Bekanntschaft und verbringt eine Nacht mit ihr. "Ich bin von drüben, ich suche nach Standorten", erklärt er – um sie am nächsten Morgen prompt beim Brötchenkauf vorübergehend zu verlieren: Robert irrt durchs Labyrinth des riesigen Wohnblocks, in dem die junge Frau, Christiane, wohnt – die Suche nach der Vertrauten im Unbekannten führt zum Verlust der Orientierung. Christiane geht derweil ihrer täglichen Beschäftigung nach: Sie wartet Passfoto-Automaten, wobei sie an der jobbedingten zwischenzeitlichen Trennung von ihrer fünfjährigen Tochter leidet und ansonsten ähnlich einsam ist wie Robert. Dabei bemüht sie sich um eine pragmatische Sichtweise: "Man sieht immer das, was man sehen will". Dabei hütet sie ein Geheimnis, das mit dem Verlust ihrer Arbeit nach der Wiedervereinigung zusammenhängt. Mit einem ausgeklügelten Diebescoup will sich Christiane von einem westdeutschen Spekulanten das Geld zurückholen, das sie damals verlor – doch dazu braucht sie vor allem Robert, seine Unterstützung und sein Vertrauen, vielleicht sogar seine Liebe.


Eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund von Ost und West, von Verlust und seelischem Schmerz, von neuer Orientierung und dem Zusammenwachsen von etwas, das eigentlich zusammengehört: Was als leiser, intimer Weg einer "privaten" Rückkehr ins Leben beginnt, wird für Regisseur Georg Maas schnell zur anspielungsreichen Metapher für die Wunden und das Misstrauen zweier deutscher Nationen, die sich noch suchen und finden müssen. "Wie kann man nur so ähnlich sein – und doch so verschieden?", fragt Robert und spricht doch nicht nur von zwei Frauen, sondern auch von zwei Ländern, die nun eins sind. Ahnungslos und naiv tapst er, vollauf mit sich selbst beschäftigt, durch den deutschen Osten, ohne Menschen und Landschaft wirklich wahrzunehmen. Auch Maas fallen dazu lediglich plakativ angerissene Episoden ein, kurze Gespräche und Begegnungen, im Treppenhaus oder mit einer Imbiss- Verkäuferin, die die Klaus-Renft-Combo (die Robert selbstverständlich unbekannt ist) und ihren 1973er-Song "Kinder, ich bin nicht der Sandmann" kommentiert: "Ja, die Musik bedeutet mir was". Jeder so dahingesagte Satz will als bedeutungsschwer und doppelt aussagekräftig verstanden werden, jede Sequenz ist symbolisch aufgeladen – bis hin zur Anhängerkupplung, die Robert schließlich löst, um den Ballast, den er mit schleppt, abzustoßen. Prompt muss dieser Vorgang in der nächsten Szene noch einmal verbalisiert werden, damit es auch jeder begreift, was aber nur dazu führt, dass die Handlung trivialisiert, ja bagatellisiert wird. Man spürt die Vorbilder für solche Art von doppelbödiger Narration, wobei Hitchcock- ("Fenster zum Hof", "Vertigo") und Wim-Wenders- Paraphrasen ebenso anklingen wie Bezüge zu Kieslowskis "Ein kurzer Film über die Liebe" (fd 27 499). Kieslowski aber gelang einst der ambitionierte Entwurf, weil bei ihm die mit höchstmöglicher dramaturgischer Stringenz verdichtete Liebesgeschichte gefangen nahm – während bei Maas bedeutungsschwanger, aber spannungsarm aufgesagte Sentenzen die Annäherung an Robert und Christiane erschweren und kein emotionales Zentrum entstehen lassen. Angesichts der hochkarätigen Crew aus Darstellern und technischen Mitarbeitern kann man nur bedauern, dass dem Film nicht mehr gelingt als einige wenige dichte Momente.

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