Autobus Nr. 2

Deutschland 1929 Spielfilm

Autobus Nr. 2


–ger., Film-Kurier, Nr. 194, 16.8.1929


Die Terra zeigt ihr erstes selbständiges Bild der neuen Ära: eine mit allen äußeren Zeichen des Erfolges ausgestattete Uraufführung. Langer, anhaltender Schlußbeifall für Lee Parry, für Max Mack. Zum Start hat man auf ein abgewogenes, nach allen Seiten bedachtes Werk Wert gelegt, nicht zu kühn, nicht zu feige; sauber angerichtet, mit einem Blick auf die Straße des Lebens und mit Wunsch nach handfester Dramatik.

Mit dem Geschmack ernsthafter Leute vom Theater- und Filmbau – Produktionsleitung: Hoffmann-Harnisch, Regie: Max Mack – sucht man einem Berliner Volksmilieu beizukommen; vom Schupistenschicksal aus "Asphalt" weiß man, Berliner Straßenhelden lassen sich wie die Chikagoer, die New Yorker "international" geben. Weißbierschwitz, Hofenge, Zilledreck, die lachende Gemeinheit des Berliner proletarischen Daseins werden daher vermieden, gut möblierter, glatt gebügelter Kleinbürgerkonflikt tritt an Stelle des "Miljöhs". Der Autobus 2 fährt durch "feine" Gegenden.

Ach Gott, man träumt so gern davon, Zeithumor, Lachstoff aus Wirklichkeiten zu suchen, hier hat man auch gesucht und begnügt sich – vorsichtig und mit Bedacht auf das Auslandgeschäft – mit Komödienhalbheiten. Mit der ganz locker-zufällig zusammengebauten Komödie einiger Eheirrtümer, bei denen es nur auf ein paar putzige, spannende Situationen ankommt; auf seelische Glaubhaftigkeit wird kein Wert gelegt.

Hauptsache: im Schlafzimmer einer kreuzbraven Ehefrau eines Autobusschaffners ist ein Mann versteckt, der da nicht hingehört. Der kompromittierende Fremdling und Don Juan kommt nicht aus der Bude raus.

Das Kindchen weiß Bescheid, daß "Onkel" da ist.


Eine Klatschbase hält neugierig den Küchenausgang belagert.

Schließlich naht der Gatte selbst.

Streuselkuchen und Küchentür spielen als Spannungszeuger mit.

Und wenn nun das Publikum den Don Juan in der Klemme von Georg Alexander in der reizendsten Verlegenheit und mit einer unwiderstehlichen Schwerenöterei gespielt sieht – da muß es vor Aufregung kreischen. Das der Kern des Spiels!

Man wundert sich, Herr Dr. Schirokauer, Autor, ein bischen, warum nicht konsequent das Tragische lustig angeblinzelt wird. Warum soviel verquollene Sentimentalität der Eheszenen statt auch da mit Humor die Flucht des Ehemannes zu glossieren, der Knall und Fall den Koffer und das Kind packt und nun als möblierter Herr loszieht? Szenen, die man ins Tragische anstatt ins Heitere umbiegt. Autofuhrmann Henschel. (Und dieses Theater um sonny girl!)

Ja, das Drama liegt stets so nah! Und bei uns filmt man lieber einen tragischen Klaps als einen Witz.

Bei Carl Sternheim und im Film von Franz Schulz (mit der Jugo) verliert eine Bürgerfrau ihre Hose. Kleinstadt und erotische Satire. Hier wird in einem großstädtischen Tanzlokal einer Frau das Kleid vom Leibe gerissen. Drumherum kann man nur eine Posse machen – kein Dramolett; nicht einmal eine Satire. Die Geschichte vom zerrissenen Ballkleid wird von Schirokauer so gewichtig durchgeführt wie die Verbrennung der heiligen Johanna.

Der Film hat aber soviel Spielcharme, daß er den Stilbruch vergessen macht.

Die Fahrszenen der Busse, der weiß-gelben Berliner Straßentiere, vibrieren im Aderschlag der großen Straßen und Plätze. Viel Eleganz und Lebensglanz im Nachtschimmer Berlins, im leicht eingefangenen Spiegelbild vornehmer Läden, Restaurants, Behausungen und Tanzlokale. Hoch anzuerkennen Max Macks unermüdlich formende Hand. (...)

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