Südsee, eigene Insel
Südsee, eigene Insel
Raimund Gerz, epd Film, Nr. 7, Juli 1999
Man sieht"s doch immer wieder gern: Wenn der saturierte Mittelständler, der es zu einer Position im gehobenen Management, einem Vorstadthäuschen mit Designerausstattung, einer schönen Frau und einer süßen Tochter gebracht hat, sich in den Fallstricken seines Erfolgs verheddert. So geschieht es Albert Bursche (Herbert Knaup), den der Kellner im Ristorante dezent darauf aufmerksam macht, dass seine Kreditkarte gesperrt ist. Ein Anlageberater hat Bursche über den Tisch gezogen. Und so will auch die Dame im Reisebüro die Tickets für den dreiwöchigen Südseeurlaub nicht rausrücken. Eine Blamage auf der ganzen Linie droht, hat doch Ehefrau Sabine (Andrea Sawatzki) schon Unmut hinsichtlich des langweiligen Ehealltags bekundet. Und gleich nebenan wohnt der befreundete Kollege Dr. Kunert (Ben Becker), ein Intrigant, wie sich bald herausstellen wird. Mit Bursches geht es buchstäblich abwärts, in den Keller nämlich, wo man den Urlaub zu verbringen beschließt, um sich vor den Nachbarn keine Blöße zu geben.
Bis dorthin steuert Regisseur und Drehbuchautor Thomas Bahmann seinen Kinoerstling mit Elan und Gespür für Situationskomik. Doch dann verliert der Film an Schwung, der Umzug in den Keller verlangt seinen dramaturgischen Tribut. Wenn die "Urlauber" von unten mitbekommen, wie die Nachbarn ihre Wohnung inspizieren, oder wenn Dr. Kunert sich über Bursches PC hermacht, um mit dessen Daten den Jahresbericht für die Firma aufzumotzen, so ist das noch leidlich witzig. Dann aber dümpelt die Komödie vor sich hin, bis sie schließlich, im Wortsinn, abzusaufen droht. Denn Regisseur Bahmann greift nun zum Standardrepertoire der nach oben offenen Katastrophenskala: Bursche muss über logistische Engpässe mit Ladendiebstählen hinweghelfen; zwischenzeitlich beherbergt man auch einen jugendlichen Einbrecher, den der Polizei zu übergeben man sich nicht traut; eine undichte Stelle in der Wasserzufuhr trägt auch wenig zur Gemütlichkeit bei, und die fälligen Sanierungsversuche führen schließlich dazu, dass der Keller sich in eine Hochwasserzone verwandelt. Da aber haben sich Humor- und Mitleidsreserven beim Zuschauer längst verbraucht, und die Ödnis des Urlaubskellers beginnt sich auch im Kino breit zu machen, bis der Film mit einer witzigen Schlusspointe doch unerwartet noch einmal komödiantisches Tempo aufnimmt. Aber wo nur nehmen die Bursches, deren Pleite doch der McGuffin dieser Geschichte ist, am Ende das Geld für den großen Coup her...?
Eine "böswitzige Satire" hatten die Filmemacher im Sinn, "keine dieser typischen Klamotten" sollte es sein, vielmehr schwebte ihnen "etwas Tiefgründiges vor", das seinen Humor aus einer "ganz feinen Situationskomik" bezieht (Zitate aus dem Presseheft). Das ist angesichts des streckenweise recht Klamaukhaften Geschehens, das dazu noch mit einigen Stereotypen – wie dem Nachbarn mit dem Sicherheitstick auf der einen und dem Kleingartenfanatiker auf der anderen Grundstücksseite – garniert ist, ziemlich hoch gegriffen. Obendrein ist das Sujet schon recht abgenutzt. Herr und Frau Neureich, die mit dem großen Geldbeutel und der kleinen Bildung, lassen sich halt immer wieder trefflich aufs Korn nehmen.
Daß mit "Südsee, eigene Insel" dem Trauerspiel der deutschen Filmkomödie nicht ein weiteres Kapitel hinzugefügt wurde, verdankt der Film seinen hervorragenden Hauptdarstellern. Weniger vielleicht Ben Becker mit seinem rustikalen Charme als dem etwas linkisch sich gebenden Herbert Knaup, der seine Figur nie zur Karikatur verkommen lässt. Vor allen anderen aber verfügt Andrea Sawatzki über jene dramatischen, ja tragischen Potentiale, die wirkliche Komik erst zur Geltung kommen lassen.