Familie Benthin
Familie Benthin
Mitte Mai wird Slatan Dudow mit der Regie beauftragt. Vergeblich erhebt er Protest, die Mängel des Drehbuchs sind ihm nur allzu bewußt. Als abzusehen ist, daß er – der bedächtige Inszenator – den Termin unmöglich halten kann, schaltet die DEFA-Leitung Kurt Maetzig ein, der später über seine Mitwirkung an "Familie Benthin" rekapituliert: "Ich habe einfach angeguckt, wie er (Dudow) das gemacht hat, und habe ein paar dieser Komplexe so gemacht, daß sie in seinen Inszenierungsstil hineinpaßten. (...) Und diese Aufnahmen, die vom Aufwand her und technisch ein bisschen schwierig (...) waren, habe ich für ihn inszeniert, habe aber mit dem Film als solchem gar nichts zu tun."
Im Sommer beordert Sepp Schwab dann noch Richard Groschopp, Regisseur der in Dresden ansässigen "DEFA-Produktion Sachsen", nach Berlin, vorwiegend um ein paar Nachtaufnahmen zu drehen. "Familie Benthin" wird mit 16 000 Überstunden allein im VEB Filmstudio Johannisthal durchgepeitscht; die Arbeiter, die dort von Mitte Januar bis Anfang Juni Däumchen drehen mußten, weil keine Stoffe in Produktion gegangen waren, geraten nun an den Rand ihrer physischen Kräfte.
Doch das Ergebnis ist künstlerisch mäßig. Maly Delschaft hat ein paar schöne Momente als Witwe Annemarie Naumann, die mehrere ihrer Kinder in den Wirren der Nachkriegszeit verliert; und einen filmischen Fluß weist besonders eine Szenenfolge auf, in der ein weißer Hut als begleitendes Symbol für den Abstieg des in die Westzonen geflüchteten Peter Naumann (Ottokar Runze) fungiert. Mit dem breitkrempigen, sehr amerikanisch und weltmännisch wirkenden Monstrum steht der Junge in der schier unendlichen Arbeitslosenschlange; während Peter tagsüber auf einer Parkbank schläft, liegt der Hut auf seinem Gesicht; schließlich versucht er ihn in der Pfandleihe zu versetzen, wobei er sich belehren lassen muß, daß getragene Hüte nicht beliehen werden. Der gescheiterte Peter fällt als Fremdenlegionär in Vietnam, sein Bruder Klaus und die Mutter reihen sich zu den Klängen der DDR-Nationalhymne in einen Demonstrationszug ein – das letzte Bild: die wehende Flagge des neuen Staates.