Tödlicher Umweg
Tödlicher Umweg
Jörg Gerle, film-dienst, Nr. 9, 29.04.04
Die "Plotline" klingt nach großem Kino: Ein angehender Schauspieler wird auf dem Weg zu einem vielversprechenden Casting in eine perfide Szenerie verwickelt, in der er sich als Opfer und zugleich als Hauptdarsteller eines ausgefeilten Komplotts um Verbrechen, Mord und Leidenschaft wiederfindet. Der Zuschauer soll sich wohl zurücklegen und einen intelligenten Thriller genießen. Doch spätestens nach dem hoch ambitionierten, allerdings ein wenig wirren Vorspann im Stile von Kyle Coopers "Sieben" (fd 31 462), den aufgeputschten Chorälen von Komponist Gerd Schuller, einer bieder agierenden Kamera und dem holprig eingeführten Darsteller schwant ihm, dass in "Tödlicher Umweg" nicht alles zusammenpassen will. Die Vorfreude des von Ken Duken verkörperten Jungschauspielers Adrian, dessen Casting in München den Durchbruch bringen soll, trübt sich, als er nach einem Tankstop eine blinde Passagier in seinem Auto entdeckt. Die junge Frau namens Julia hat sich offensichtlich mit ihrem Reisebegleiter Philipp zerstritten. Da ein Bergrutsch die direkte Weiterfahrt verhindert, nimmt Adrian einen Umweg durchs Voralpengebiet in Kauf. Das ist der Anfang einer düsteren Odyssee. Nicht nur, dass Julias ungehaltener Partner hinter ihnen her ist und wenig später nach einem heftigen Streit mit der Frau auch wieder von dannen braust; Adrian wird auch Zeuge eines Unfalls. Er alarmiert einen Polizisten in einem nahe gelegenen Hof, doch als er diesem den Unfallort zeigen will, hat sich der Vorfall scheinbar in Luft aufgelöst. Auf der Suche nach Zeugen will der verunsicherte Schauspieler das eben vorbeifahrende Auto des zerstrittenen Paares anhalten. Dabei rutscht der Wagen in die schneevereiste Böschung; beide Insassen werden leicht verletzt.
Die erste Hälfte von "Tödlicher Umweg" ist noch nicht ganz geschafft, da befindet sich nicht nur die Hauptfigur in einer brenzligen Lage; auch inszenatorisch brennt es lichterloh. Die Zufälle wirken bemüht, die Dialoge, die all die Ungereimtheiten beschwichtigen sollen, sind allenfalls plakativ. Wer soll allen Ernstes glauben, dass sich eine aufgedonnerte Blondine auf dem Rücksitz eines alten Mercedes verstecken kann, ohne dass man sie beim Einsteigen bemerkt? Spätestens der Bauer, der gleichzeitig Polizist ist, dürfte auch den nachsichtigsten Zuschauer ob des hanebüchenen Drehbuchs misstrauisch machen. Die Hauptperson des Dramas braucht indes noch eine Weile: Als Adrian am nächsten Morgen zur Unfallstelle kommt, liegt dort nicht nur das Auto in der Böschung, sondern auch die Leiche des Mannes, den er tags zuvor noch verletzt an der "verschwundenen" Unfallstelle gesehen hatte. Doch statt dieser Ungereimtheit auf den Grund zu gehen, flüchtet Adrian kopflos in die verschneiten Wälder und macht sich so verdächtig.
Spätestens hier ist die ebenso konfuse wie langweilige Geschichte kaum mehr zu retten, die zudem in unfreiwillig komischen Dialogen gipfelt. Im weiteren Verlauf des Thrillers soll dem Zuschauer jetzt das wahre Ausmaß der Geschichte offenbart werden, denn Adrian ist bereits der Star jenes Films, dessen Casting er eigentlich aufsuchen wollte! Jeder seiner Schritte wird gefilmt, alle handelnden Personen agieren nach Drehbuch, der Unfall und das ganze Drumherum waren ein Fake, von dem einzig der Protagonist nichts ahnt. Produzent und Darsteller Philipp will Adrian indes bis zum Äußersten treiben. Er soll mit dem Vorsatz, einen Mord zu begehen, die Waffe gegen ihn richten! Diese Wendung der Verschwörungsgeschichte zu einem absurden Krimi, mit Big Brother- und Casting-Show-Attitüde vermag die Spannungskurve von "Tödlicher Umweg" allerdings kaum in neue Höhen zu hieven. Der sich wacker mühende Ken Duken geht zwar mit seiner Performance an physische und mimische Grenzen, doch der Film erleidet in Folge seiner zahllosen Versatzstücke jämmerlich Schiffbruch.