Erdgeist

Deutschland 1922/1923 Spielfilm

Erdgeist


H. W. (= Hans Wollenberg), Lichtbild-Bühne Nr. 8, 24.2.1923


Nach seiner vorjährigen "Hintertreppe" hat sich der Intendant, des Berliner Staats-Theaters, Leopold Jessner, nun zum zweiten Male als Filmregisseur betätigt, und das Ergebnis seiner Arbeit, in den Richard-Oswald-Lichtspielen der Öffentlichkeit vorgeführt. Man muß feststellen, daß der große Könner der Bühne den Weg zum Film auch heuer noch nicht gefunden hat. Sein Werk "Erdgeist" ist eine Sünde wider den Geist des Kinematographen, der berufen ist in buntem Wechsel das Antlitz der Weit zu zeigen. Für Herrn Jessner hingegen ist: er dazu da, einige wenige Dekorationen aufzunehmen, in welche die Handlung bühnenmäßig zusammengedrängt wird. Ein völliges Mißverkennen des Filmischen, dessen Richtung dem Theaterhaften geradezu konträr läuft. Das Bühnendrama ist intensiv, der Film extensiv. Jessner kann sich von der Vorstellungswelt des Bühnenregisseurs nicht radikal befreien und inszeniert daher Theater, bei dem er lediglich das gesprochene Wort durch allzu ausgespielte Darstellung, zahlreiche Großaufnahmen und andere Requisiten ersetzt. Und "Ersatz" taugt bekanntlich niemals viel. An diesem Gesamturteil kann sich auch dadurch nichts ändern, daß ihm gar manches eindrucksstarke Bild mit Hilfe des Architekten und des Beleuchters zu formen gelungen ist, und daß die Darstellung, an der Spitze Asta Nielsen und Albert Bassermann, ihr Bestes hergaben. Dennoch gelangte Wedekinds "Erdgeist" in Filmgestalt, auf sechs allzu lange Akte ausgewalzt, nicht zu der menschlich starken Wirkung, die ihm auf der Bühne eignet. – Eine Reminiszenz: wie wurde eines Tages der große Bühnenregisseur Jessner im "Film-Kurier" gegen den Filmautor Karl Maier ausgespielt! Sein neues Werk beweist, daß Herr Jessner als Filmregisseur dem Filmautor Maier nicht adäquat ist.

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