Die Ritterinnen
Die Ritterinnen
Silvia Hallensleben, epd Film, Nr. 8, 02.08.2003
Es ist eine gern kolportierte Skurrilität der ehemaligen Westberliner Autonomenszene, dass sich ihr harter Kern mit Vorliebe aus den Sprösslingen schwäbischer Häuslebauer rekrutierte. Als antibürgerliche Exilantin hat sich auch die flippige Bonnie Mitte der achtziger Jahre aus der Enge der südwestdeutschen Provinz ins vermeintlich prärevolutionäre Kreuzberg durchgeschlagen. Dort landet sie in einer Fabriketage, deren Mitglieder sich als Kleinkollektiv dem Streben nach radikaler Veränderung auch im persönlichen Bereich verschrieben haben. Bonnie ist jung, tough und voll von umstürzlerischem Elan. Und sie ist ein verwöhntes hübsches Mädchen. So wirbelt die Prinzessin die eingefahrenen Verhältnisse in der Wohngemeinschaft auch in geschlechtspolitischer Hinsicht tüchtig durcheinander. Denn von dem Neuzugang mit den wilden Rastalocken lassen sich die Jungs dankbar Erniedrigungen bieten, die sie von der alteingesessenen Weiblichkeit nur widerwillig akzeptieren.
Bonnie ist eine Phantasiefigur, gespielt von Jana Straulino. Doch sie ist auch das Alter Ego von Barbara Teufel, die sie in ihrem Film "Die Ritterinnen" zur Hauptfigur ihrer historischen Reinszenierung macht. Dabei montiert Barbara Teufel in eine eher konventionelle Spielhandlung Szenen arrangierter Gesprächsrunden der – nach ihrer Wohnstatt in der Kreuzberger Ritterstraße benannten – ehemaligen Ritterinnen und ihrer männlichen Kombattanten und Archivbilder von Demos und Anti-IWF-Kampagne. Der Film beginnt mit dem "Einstellungsgespräch" von Bonnie in der Etage und arbeitet dann wie ein anständiger Historienfilm die Szene-Debatten dieser Jahre ab, wobei die Vertreibung der Männer aus dem Ritterinnen-Universum und die Kämpfe um eine autonome "Frauen- und Lesben"-Politik, wie es korrekt hieß, einen zentralen Stellenwert einnimmt.
Der Versuch, Geschichte aus dem Entweder-Oder von Dokument oder Fiktion zu befreien, ist ein ebenso lohnendes wie riskantes Wagnis, dessen Gelingen auch an handwerklichen Details hängt: hier etwa die Spielszenen und ihre Darsteller, die uns das Autonomenleben in "GZSZ"-Manier präsentieren. Gewichtiger aber sind die inhaltlichen Probleme einer Erzählhaltung, die die mögliche ernsthafte Auseinandersetzung durch eine Selbstgefälligkeit blockiert, die jede Antwort schon zu kennen scheint, wie auch der ironisch-distanzierte Kommentar nahe legt. Barbara Teufel, die sich am Ende einmal kurz mit Töchterchen selbst präsentiert, scheint mit der beschriebenen Epoche ihres Lebens so gründlich abgeschlossen zu haben, dass sie ihr nur noch anekdotischen Wert zubilligt: als pittoreske Episode im Bildungsroman einer schwäbischen Rotznase, die den jugendlichen Wirrungen am Ende als berufene Filmregisseurin entsteigt. Die Mitstreiterinnen, aus deren Haushaltskasse die angehende Filmstudentin ihre erste Kamera bezahlt, fungieren da nur noch als hässliche Fratzen gemeiner Kollektivansprüche, aus denen sich das künstlerische Regisseurinnen-Selbst emanzipiert hat. Dabei hat Barbara Teufel in der Zwischenzeit so schöne Filme wie "Stroh zu Gold" (1996) gemacht.