Bungalow
Leben in Planquadraten
Paul (Lennie Burmeister) ist 19 und beim Bund. Er sitzt in seinem Körper wie andere in ihrem Auto. Er bewegt sich, wenn es der Vordermann tut, und bremst ab, wenn kein Durchkommen ist. Einmal legt er keinen Gang ein und bleibt einfach an einer Raststätte sitzen, während sich der Rest der Truppe wieder auf die Fahrzeuge verteilt. Ein kurzer Moment, eine Bewegung zu wenig, macht aus Paul einen Fahnenflüchtigen. Die halbherzige Revolte eines Handlungslosen. Paul führt sie zu seinem Bruder Max (Devid Striesow) und dessen Freundin Lene (Trine Dyrholm). Zurück in den elterlichen Bungalow in der hessischen Provinz. Zurück zu jenem bürgerlichen Mittelweg, der mit seinem gleichgültigen Liberalismus längst auch jeden Widerspruch absorbiert. Und wenn im Nachbardorf ein Freibad bei einem mutmaßlichen Terrorakt in die Luft fliegt und dennoch nichts passiert, gibt es für das Drama nur noch einen Ort: die auf sich geworfene Innerlichkeit.
Ulrich Köhlers Porträt, 2003 beim Preis der deutschen Filmkritik als "Bester Debütfilm" ausgezeichnet, erzählt vom Wartesaal am Ende der Pubertät, von der Hoffnung, es möge einem irgendetwas widerfahren, das der eigenen diffusen Sehnsucht eine neue Stoßrichtung gibt. Die Kamera fasst das Ausharren in nüchterne Tableaus. Klar und ruhig zeichnet sie Bilder von Menschen, die in Häusern verschwinden, oder von Autos, die sich wie im Anschauungsmaterial der Fahrschulen um Verkehrsinseln oder aus Kreuzungen fädeln. Planquadrate von einem Leben, das sich weder durch Renitenz noch durch Abweichlertum aufmischen lässt – und in dem Begriffe wie Heimat, Familie oder Zukunft ins Unbestimmte ausfransen.
Quelle: Christian Buß, Birgit Glombitza (Red.): "Deutschland, revisited". (Katalog zur gleichnamigen Retrospektive im Kommunalen Kino Metropolis Mai - Juli 2004). Hamburg: Kinemathek Hamburg e.V., 2004