Das unheimliche Haus
Das unheimliche Haus
Lichtbild-Bühne, Nr. 31, 5.8.1916
Es sind eigentlich zwei Häuser, die mit einander verbunden sind und welche zwei Besitzern gehören, die aber ein und dieselbe Person sind. Dieser, ein Doppelleben führender Eigentümer, stellt in seinem umfangreichen Geschäftsbetrieb einen jungen Mann an, der in seinem Auftrage Erledigungen zu besorgen hat, die dann dem Eigentümer in seiner anderen Gestalt zu Nutze kommen. Solcher Art bietet der neue Richard-Oswald-Film eine Handlung, in die ein Detektiv eingreift, in ganz neuer Art, man sieht seine Arbeit, seine Tätigkeit nicht näher, er führt aber den sich ganz natürlich ergebenden Abschluß herbei. Also ein Detektivfilm so ganz anders, wie jene, die dieses Genre in der öffentlichen Meinung und bei Behörden fast in Verruf brachten. So eigenartig das Sujet ist, ebenso überraschend ist die Inszenierung Oswalds. Vor allem erweist er sich als ein Auserwählter der Dekorationskunst, denn die dargebotenen Interieurs sind von seltenem Geschmack, wunderbarer Tiefe, wohltuender Eleganz und anheimelnder Harmonie. Er, von dem man nur Allererstes erwartet, weiß noch einen Grad höher zu steigen und wählt seine Außenmotive nicht nur zu jeder Szene angepaßt, sondern als ein Bildwerk, als entzückende Staffage. Die Bilder scheinen dem Bühnenroutinier die Hauptsache, sie gleichen wahren Kunstwerken, während das, was sich vor unsern Augen abspielt, nur Natürlichkeit atmet, nichts Erkünsteltes, Berechnetes verrät. Das ist es, was diesen Film auch in seinen Darbietungen über die Masse seiner Konkurrenten hochhebt und was ohne weiteres anerkannt werden muß. Jeder Kritiker, jedes Publikum wird ihm die Zensur 1 a erteilen müssen. Sucht man nach Fehlern, so wird man höchstens einige Unklarheiten finden, über die man aber selbst im Unklaren ist, wie man sie bemängeln soll. Auch eine der Oswaldschen Eigenheiten!
Diesen hat er seinen heute überall populär gewordenen Namen zu verdanken. Er versteift sich nicht auf Konventionelles, wenn er es auch nicht ganz meiden kann, denn er muß dem Geschmacke des Publikums Konzessionen machen. Und so hat sein Ehrgeiz die schier unlösliche Aufgabe, diesem Geschmack immer auf neue Art zu huldigen und dabei seine künstlerischen Ambitionen zu verwirklichen, den Darstellern lohnende, sie anreizende, aufstachelnde Aufgaben zu bieten und den Knoten der Handlung, den Grundlagen der Dramaturgie gemäß zu schürzen und zu lösen.
Oswald ist eine impulsive Natur, die sich aber den erwähnten, diesem Naturel fast widerstreitenden Aufgaben gewachsen sieht. Dadurch wird alles, was er schafft, auch die Details, die kaum beobachtet werden, sein Werk und trägt seinen Stempel. Nie gewahrt man an der Schöpfung die rapide, hastende Tätigkeit, alles ist trotz der Eile wohl durchdacht, ausgeklügelt, auf Höchstleistung gesteigert. Dithyramben von gelungener Arbeit finden das Gleiche in Anerkennung und Ruhm und darum ist der Name Richard Oswald nicht nur in der Filmbranche so geläufig geworden.