Helga
Helga
Herbert Müller, filmecho/filmwoche, Nr. 77/78, 29.09.1967
In der langen Reihe der Aufklärungsfilme gibt es nicht wenige, die unter dem Mäntelchen der Pseudowissenschaftlichkeit nichts anderes anstreben, als auf billige Sex-Sensation zu spekulieren. Von dieser scheinheiligen Gattung unterscheidet sich der Rinco-Farbfilm "Helga" überaus wohltuend. Wenn hier vom Werden des menschlichen Lebens erzählt wird und die Funktionen des männlichen und weiblichen Körpers optische Darstellung finden – von der Befruchtung über die Entwicklung des Embryos bis zum Geburtsakt selbst –, so geschieht diese Aufklärung auf untadelig saubere Weise: ohne Prüderie, sachlich und wissenschaftlich detailliert. Nirgendwo wird mit zwielichtigen Mitteln gearbeitet; Text und Bild wirken nie indezent. Im Zentrum des Geschehens steht ein junges Ehepaar, das sich ohne Pathos zum "gewollten Kind" bekennt, und Ruth Gassmann als werdende Mutter bringt für diese Rolle ein junges, klares Gesicht mit, dem man die Freude auf den Familienzuwachs mit Sympathie glaubt. In geschickter Form behandelt Drehbuchautor und Regisseur Erich F. Bender am Rande Sexualpädagogik, die Methoden der Empfängnisverhütung, die "Pille", richtige Lebensweise während der Schwangerschaft sowie Gymnastik vor und nach der Geburt. Keinem Tabu wird ausgewichen, und auf alle Fragen wird taktvoll Antwort gegeben.
Hohes Lob gebührt Dr. Erwin Burciks Mikrokamera, dem u. a. mit der Sichtbarmachung des Follikelsprungs und dem Transport des Eies durch den Eileiter in die Gebärmutter eine einmalige filmfotografische Leistung gelang. An der Farbkamera der Spielfilmszenen standen mit Geschmack Klaus Werner und Fritz Baader. Dem Regisseur, seinem wissenschaftlichen Team anerkannter Kapazitäten und seinen Darstellern – u. a. noch Asgard Hummel, Ilse Zielstorff und Eberhard Mondry – gelang eine Interpretation menschlichen Werdens, der man nur ungern das farblose Etikett "Aufklärungsfilm" gibt. Was hier in sparsam gesetztem Spielfilmrahmen entstand, sollte man eher eine moderne "Anatomie sinnvoller Sexualbildung" nennen. Menschen aller Altersstufen dürften sich von "Helga" gleichermaßen angesprochen fühlen.