Die Blume der Hausfrau
Die Blume der Hausfrau
Daniel Kothenschulte, film-dienst, Nr. 9, 27.04.1999
Die Eröffnungsszene ist vielversprechend: Die fünf Männer, die man von hinten in einem Pissoir stehen sieht, könnten einem Gangsterfilm von Quentin Tarantino enstammen – in ihren eleganten schwarzen „Arbeits“-Anzügen könnten sie der Urindusche noch das Blutbad folgen lassen. Aber ganz im Gegenteil: Um Sauberkeit ist es ihnen bestellt, da sind sie Profis. Die geheimnisvollen schwarzen Herren „überfallen“ wehrlose Hausfrauen in ihren Wohnungen, um ihnen Staubsauger der Marke „Vorwerk“ aufzuschwatzen, darunter auch die „Blume der Hausfrau“ – eine Art rotierenden Staubwedel, den man einem Staubsaugerhals aufsteckt und der zu den eher preiswerteren Produkten der nicht eben billigen, im allgemeinen aber als verläßlich geltenden Marke gehört. In seinem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm folgt Dominik Wessely diesen fünf Herren auf Schritt und Tritt. Wie man erfährt, ist das Unternehmen ganz groß darin, die in kleine Untergruppen aufgeteilten Handlungsreisenden auch untereinander in einen auf den ersten Blick spielerischen, aber doch existentiellen Wettbewerbsgedanken einzubinden. Die fünf Porträtierten sind allesamt adrette Jungs: Massimo, Salvatore, Angelo, Maurizio und Steffen, vier Halbitaliener und ein Deutscher, doch nicht alle haben den gleichen Erfolg. Der taktlose Steffen kann es sich zwischen seinen Abschlüssen sogar leisten, den Kollegen dämliche „Itakerwitze“ zu erzählen – der Erfolgsdruck hat subtil das Empfinden für die persönliche Würde untergraben. Der hübsche Angelo pilgert indes glücklos von Haustür zu Haustür.
Seine unterhaltsamsten Momente hat Wesselys Film, wenn er statt der ausführlich protokollierten Schulungen – hierfür hat der Dokumentarist Harun Farocki den strengeren und besseren Blick – oder der finalen Beschreibung eines Betriebsfestes direkt in die Wohnungen der Kunden geht. Es ist herrlich anzusehen, wie einer der Handelsvertreter einem mit allem gesunden Mißtrauen gesegneten Griechen, der nicht nur ein Experte für häusliche Papageienvögel ist, sondern ganz besonders stolz auf seine Methoden der Teppichreinigung, ausgerechnet eine Teppichpflegemaschine aufschwatzt, die er nun wirklich nicht braucht. Wären sie ehrlich, wüßten auch die meisten „Opfer“ der Vertreter, daß sie keinen Staubsauger brauchen, sondern eine neue Wohnungseinrichtung. Wesselys Blick verhält sich hier jedoch stets neutral und nie herablassend. Freuen kann sich aber besonders die Firma „Vorwerk“: Ihr Image der biederen Verläßlichkeit wird durch den Film und seine fünf Portagonisten, die man auch einmal als große Jungs beim Fußballspielen sieht, nicht angetastet. Gerade das Seminar „Weg zum Kunden“ habe ihn die Firma nur widerstrebend filmen lassen, sagt Wessely, dabei erfährt man hier eigentlich nichts, was sich nicht schon aus dem gefilmten Besuch der Vertreter ableiten ließe. Ein besonderes Glück für die Narration ist die einerseits homogen erscheinende, andererseits aber doch extrem unterschiedlich erfolgreiche Gruppe. Wessely hat gewiß von jedem seiner „Helden“ unzählige Momente des vergeblichen Klingelns an Haustüren aufgenommen, aber nur beim liebenswerten Angelo schafft dies einen rührenden Abschluß. Diese Emotionalisierung kann auch einem Dokumentarfilm ein Seelenleben einhauchen; doch für einen sich ganz auf die erzählte Geschichte verlassenden Dokumentarfilm fehlt es ihm wiederum an der Freiheit, auch eine stringente Dramaturgie einzuführen. So ebbt der Film in dem Moment ab, wo das Versprechen des so unterhaltsamen Anfangs nicht erfüllt wird. Natürlich will man auch das Scheitern Angelos vor Ort erleben. Das Thema schreit nach Peinlichkeit, und wenn dann explizit von Schmerz die Rede ist, gehört dies zum Leben eines Handlungsreisenden durchaus dazu. Filme dieser Art leben von Schaulust und Anteilnahme, insbesondere da fast jeder das Sujet aus eigener Anschauung kennt. Wenn der Dokumentarfilm idealerweise die eigene Erfahrungswelt ergänzen oder vertiefen kann, sollte er hier ansetzen. Doch Wesselys Blick hinter die Fassade erscheint letztlich nicht wesentlich anders, als man sie sich ohnehin vorstellen würde. Entweder kehrt „Vorwerk“ wirklich nichts unter den Teppich, oder man hat einfach nicht darunter nachgeschaut.