Out of Rosenheim

BR Deutschland 1987 Spielfilm

Out of Rosenheim


Reinhold Jacobi, film-dienst, Nr.23, 17.11.1987

Der deutsche Film tut sich schwer mit dem Komödiantischen. Wenn einmal etwas lockerer ausfällt, als man es hierzulande gewohnt ist, dann stößt der Film entweder auf Unverständnis oder – was eigentlich überhaupt nicht vorgesehen ist – er hat überraschend großen Erfolg wie etwa Doris Dörries „Männer“ (fd 25 432). Da saßen die Pointen, da stimmte insbesondere das Milieu, da stimmten die Darsteller, da war halt manches beim zweiten Hinsehen noch witziger. Von solcher unerwarteter, da untypischer Filmkomik, die nicht daherpoltert, sondern sich sachte aufbaut und allmählich aufblüht, ist Adlons amerikanische Ballade von der g"standenen bayrischen Geschäftsfrau Jasmin Münchgstettner, die mitten in der Wüste, in einem Schnellimbiß an einer staubigen Überlandpiste, kaum besucht von Truck-Fahrern, in einem Kaff Namens Bagdad (!), bestehend aus so gut wie nur einem Haus, einer Tankstelle und einem Wohnwagen, Freiheit und Glück findet. Vorher reiste sie mit dem Ehemann, mit dem sie sich überwirft und den sie sich und seiner Sturheit abrupt und endgültig überläßt. Sie trifft auf Brenda, die ihrerseits soeben den Mann, einen Faulpelz, hinausgeworfen hat. Als exotischer Gast, der sie ist, irritiert Jasmin mehr, als daß sie auf Sympathie stößt. Zu diesem merkwürdigen Milieu, dem Brenda vorsteht, gehört eine wortkarge Tätowiererin, ein ehemaliger Bühnenmaler aus Hollywood, Brendas Bach spielender Sohn und ihre Tochter Phyllis mit dem nicht stillbaren Hang zu Fernfahrten und Fernfahrern. Jasmin bleibt, nistet sich ein, ist mit ihrer enormen Leibesfülle und ihrer wortkargen Liebenswürdigkeit schlicht präsent.

Allmählich läßt sich Brenda gewinnen, spätestens seitdem sie erfahren hat, daß die kinderliebe Jasmin selbst keine Kinder hat, weswegen sie das dunkle Baby des Bach-Adepten Sal jr. so anschmust. Aber Jasmin müßte ihre bayrische Herkunft schon arg verleugnen, wenn sie nicht anpacken und den reichlich verlotterten Laden von Brenda nicht von Grund auf umkrempeln würde: Sie findet einen Kasten mit Zauberutensilien im Gepäck ihres Mannes (das sie irrtümlicherweise statt ihres eigenen Koffers mitnahm), und bald funken sich die Truck-Fahrer Bagdad als Geheimtip für bestes Entertainment zu. Herb unterbricht die abgelaufene Aufenthaltserlaubnis Jasmins neues Wirken. Sie muß zurück nach Rosenheim, aber nur um wiederzukehren, und zwar endgültig. Rudy Cox, der leicht verrückte Maler, offeriert ihr die Lösung aller Aufenthaltsprobleme: die Ehe mit ihm. Aber Jasmin, die nicht abgeneigt ist, muß dies mit Brenda besprechen.

Adlon hat diese merkwürdige Geschichte als Märchen herausgeputzt: einfach, schnörkellos, lapidar, ohne fixe Herkunft, offen zum Ende. Das „Es war einmal“ ist hier einfach eine biedere Zweier-Ödnis, und die Geschichte erzählt sich dann als unerwartet märchenhafte Befreiung einer Liebesbedürftigen und Liebesbefähigten aus dem Gefängnis der Phantasielosigkeit ihres Rosenheimer Daseins. Da emanzipiert sich allmählich eine Frau einfach vor sich hin, weit jenseits aller verbissenen Ideologie-Entwürfe, die dann hätten bebildert werden müssen. Mancher mag diesen Plot von der dicken Jasmin, von der Wüste, in die sie Leben und Farbe, Zauber(ei) und Fröhlichkeit bringt, als zu konstruiert ansehen. Na und, wird manch anderer fragen, warum nicht auch einmal eine Konstruktion mit netten Leuten, die nichts anderes will als unterhalten und vielleicht auch ein wenig zuversichtlich stimmen? Warum nicht auch Jasmin, wenn „Otto“ erlaubt ist?

Ein Hehl daraus, daß seine Geschichte ein modernes Märchen ist, macht Adlon gar nicht. Bis in die auffälligen Farbspielereien seiner Landschaftsgestaltung hinein als zwischengeschnittene Stimmungsbilder kitschigen Bekenntnisses geht die Absicht, etwas Hübsches zu erzählen, das menschlich relevant sein soll. Glänzende Schauspieler wie die mutige Marianne Sägebrecht, deren Thema „Zuckerbaby“ (fd 25 156) hier fortgeschrieben wird, oder CCH Pounder als Brenda treiben die Geschichte allmählich und unaufdringlich an. Bis jemand ein ganz kleines, überschaubares Inventar von unauffälligen Menschen in ihrem Menschsein befördert hat: Eine echte Emanzipationsgeschichte und eine Huldigung an die Frauen, auch außerhalb von Bagdad, USA (und ein Hoffnungsschimmer für die deutsche Film-Komödie).

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