Das siebente Jahr

DDR 1968/1969 Spielfilm

Lebenshilfe für DDR-Ehen?

"Das siebte Jahr": Wolfgang Kielings neuer Start bei der DEFA



Heinz Kersten, Frankfurter Rundschau, 19.4.1969

Westdeutsche Messebesucher konnten in Leipzig Wiedersehen mit Wolfgang Kieling feiern – zumindest auf der Leinwand. Am Tage der Messeeröffnung fand in Leipzig die Premiere des ersten Films statt, den der bekannte Schauspieler nach seiner spektakulären Übersiedlung nach Ost-Berlin vor einem Jahr bei der DEFA drehte. Er heißt "Das siebente Jahr", und Kieling verkörpert darin einen Schauspieler, der mit einer Herzchirurgin verheiratet ist – eine Rolle, die nicht sehr viel von ihm verlangt; eigentlich braucht er nur sich selbst zu spielen.

Das Drehbuch zu dieser Ehegeschichte stammt von Frank Vogel, der auch Regie führt und hier zum erstenmal sein eigener Autor ist. Der heute 39jährige einstige Schüler Sergej Ûtkevič" an der Moskauer Filmhochschule konnte dabei viel aus eigenem Erleben schöpfen: er ist selbst mit einer Chirurgin verheiratet. Als Regisseur zählt Vogel zur Babelsberger Mittelklasse. Er hat sich oft um interessante Stoffe aus der ostdeutschen Gegenwart bemüht; mit einem Film über Jugendprobleme geriet er vor über drei Jahren ins Kreuzfeuer der Parteikritik: sein "Denk bloß nicht, ich heule" durfte damals nicht in den Kinos erscheinen.

Nun also präsentiert er einen Film über Eheprobleme. Bei näherem Hinsehen erweist sich allerdings, daß dies eher ein Arztfilm geworden ist. Das Milieu der weißen Kittel – schon immer ein beliebtes Kinosujet – dominiert. Die Kamera wandert durch Krankenzimmer und Operationssäle der Charité, sieht bei chirurgischen Eingriffen zu und erfaßt zwischendurch auch ein Stück Privatleben der Dr. Barbara Heim. (…)



Die Welt des Mannes gewinnt keine schärferen Umrisse. Man sieht ihn ein paar Mal als Truffaldino in Goldonis "Diener zweier Herren" auf der Bühne, beobachtet ihn kurz bei Synchronarbeiten zu einem vietnamesischen Film, wird Zeuge eines Beinahe-Seitensprunges mit ein jungen Verehrerin, mehr nicht. (…)

Von den Problemen der Frau zwischen Beruf und Familie – hier sind es auch stark die Probleme der manchmal vor den Grenzen medizinischer Kunst stehenden Ärztin –, davon ist allenfalls in den inneren Monologen der Barbara die Rede – sichtbar werden sie, zumindest in der Ehe, kaum. Nachdem auf der Leinwand die sieben Tage im Leben des vor dem siebenten Hochzeitstag stehenden Paares abgerollt sind, weiß der Zuschauer: Hier gibt es kein "verflixtes siebentes Jahr". Man hat auch nicht viel mehr gesehen als einen modischen Film: gut fotografiert und geschnitten, musikalisch akzentuiert von modernen Pianorhythmen und Bruchstücken von Kieling gesungener Villon-Balladen, aktualitätsbezogen durch einige Randbemerkungen über Herztransplantationen. Das erscheint bei diesem Thema zu wenig.

1965 hatte Egon Günther mit "Lots Weib" bei der DEFA einen Film über Eheprobleme und Frauenemanzipation gedreht, der weit ehrlicher und tiefschürfender war. Am Ende stand hier allerdings eine Scheidung. Inzwischen wurde bekannt, daß die DDR nach Rumänien und Ungarn die höchste Scheidungsquote in Europa verzeichnet. Boshafte Kritiker könnten demnach vermuten, daß Frank Vogels Film eine Art Lebenshilfe für gefährdete Ehen geben soll. Aber selbst dann bleibt zu konstatieren, daß er sich diese Aufgabe etwas zu leicht gemacht hat.

© Heinz Kersten

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