Lebende Buddhas
Lebende Buddhas
Dr. M–l (= Dr. Mendel), Lichtbild-Bühne, Nr. 72, 13.5.1925
Ein literarisch und filmisch hochinteressantes Experiment bleibt Paul Wegeners letztes Opus auf jeden Fall, selbst wenn man sich mit dem fertig vorliegenden Resultat nicht restlos einverstanden erklären will. Man muß das künstlerische Bestreben Wegeners hoch anerkennen, der im Film vor allem einmal das Medium sieht, Phantastik und Symbolik zu vermitteln. Der Stoff, den er und sein Berufskollege Hans Sturm diesesmal bearbeitet haben, läßt nun üppig wuchernder Phantasie und exotischer Fremdheit nichts zu wünschen übrig: Das Land geographischer, ethnologischer und religiöser Wunder bildet den Hintergrund für die Geschichte zweier Forscher, die grausige Abenteuer bei einer Sekte von Lamas erleben, welche der "schrecklichen Göttin" noch Menschenopfer zu bringen pflegen. Eine Fülle religiöser Wunder, großenteils auf Suggestion und Hypnose beruhend, gibt nun dem Kameramann prächtige Gelegenheit zu Beweisen seiner Trickkünste. – Dieser Stoff barg also rein Filmisches in solcher Menge in sich, daß seine Wirksamkeit eigentlich gesichert erschien, zumal er auch nebenbei schöne Belehrung über Land, Leute und Kultur des "verbotenen Landes" hätte vermitteln können. Leider ist den Verfassern aber die blühende Phantasie durchgegangen; sie mengen die grundverschiedenen Kulte des hochethischen Buddha in Tibet und der roh-grausamen Bhawani in Indien so bunt durcheinander, daß der kulturelle Wert fast vernichtet wird. Offenbar haben die mörderischen Thugs aus Retcliffs "Neha Sahib" als unmögliches Vorbild für diese Lamas gedient, von denen uns pechöser Weise erst unlängst "Zum Gipfel der Welt" bessere Meinung und ein völlig anderes Bild der Landschaft beigebracht hatte. Schließlich hat Wegener ja aber keine Kulturabteilung, er will geistreich unterhalten. Das ist ihm größtenteils geglückt. Besonders wer das Gruseln lernen will, wird durchaus auf seine Kosten kommen: Auch an der Ausstattung mit echten Kostümen und Requisiten sowie an bewegten Massenszenen kann man ehrliche Freude haben. Dagegen schleppt das Tempo, häufen sich Flüchtigkeiten der Logik und – leider muß es gesagt sein – der Photographie, die ein innerliches Mitgehen mit der phantastischen Handlung unmöglich machen, die manche Traum- und Wunderszenen sogar beinahe an die Grenze leiser Komik brachten. Und das ist angesichts so ernsten Strebens und so ausgezeichneter Darsteller wie Wegener, Sturm, Ebert, Schroth, Kühne, Pohl, Käthe Haack, vor allem aber Asta Nielsen und Grigorij Chmara, die übrigens fast alle viel zu wenig zu spielen hatten, jammerschade! – Trotzdem muß man den Film, der so stark an die Nerven und die Phantasie des Publikums appelliert, der eine so aparte Note hat, für ein gutes Geschäft halten.