Die Blutritter

Deutschland 2002-2004 Dokumentarfilm

Die Blutritter

Douglas Wolfspergers Dokumentarfilm über ein religiöses Ritual



Christoph Dompke, epd Film, Nr. 10, 01.10.2004

Das Schwabenland scheint für Dokumentarfilmer ein unerschöpfliches Reservoir zu sein. Nachdem sich Jochen Hick mit "Ich kenn keinen – Allein unter Heteros" am schwulen Leben in der schwäbischen Provinz abgearbeitet hat, beglückt uns Douglas Wolfsperger mit einem Film über das kleine Städtchen Weingarten. Im dortigen Kloster wird eine Reliquie aufbewahrt: Erde von Golgatha mit Jesu Blut getränkt. Einmal im Jahr gibt es deshalb in Weingarten einen frommen Umzug mit kostümierten Männern auf Pferden, Spielmannszug und Erleuchtung – den sogenannten "Blutritt".

Der letzte Dokumentarfilm von Douglas Wolfsperger handelte von einem kleinen Wiener Lichtspieltheater und dessen Besuchern ("Bellaria – Solange wir leben"), einer der schönsten Filme über das Kino, das Erinnern und den Tod. Für viele der befragten Menschen war das Kino zu einer Art Ersatzreligion geworden. Die Fragen der Religion werden in Wolfspergers neuem Film direkter angesprochen; es geht um die Kraft, die aus dem Glauben geschöpft werden kann, um das Leben zu meistern: "Sei gegrüßt, Du kostbares Blut, komme uns und den armen Seelen zugut." Auch die "armen Seelen", denen das Blut nicht direkt zugute kommt, werden vom Regisseur vor die Kamera geholt, so etwa ein schwuler Dekorateur, der von seiner gescheiterten Ehe und seinem neuen Lebenspartner erzählt: "Die Kirche segnet alles, vom Auto bis zum Motorrad, warum bringt sie"s nicht fertig bei ernsthaften Menschen, dass sie deren Beziehung segnet?"

Wolfsperger setzt die Bilder und Gespräche (einfühlsam und nie hämisch) zu einem kaleidoskopischen Bild von Glaube, Liebe und Hoffnung zusammen. Das ist außerordentlich unterhaltsam, berührend und oft sehr komisch. Wenn der Abt des Klosters sagt, ein "Blutritt", definiere sich als "Männerwallfahrt zu Pferde und wenn es eine Männerwallfahrt ist, dann wird es eben keine Männerwallfahrt mehr sein, wenn Frauen mitreiten", ahnt man, wie genau Loriot seine Sketche den Menschen abgelauscht hat. Und wenn ein Bewohner Weingartens über seine Ehe mit einer Ausländerin sagt, "die Ansprüche deutscher Frauen" seien seiner Meinung nach zu hoch und "deswegen meine Wahl, eine schwarze Frau zu heiraten", weiß man, wie wahrhaftig Gerhard Polt in seinen Satiren ist: Mai Ling "schmutzt nicht, wie der Asiate an und für sich überhaupt nicht schmutzt."

So wird aus dem mikroskopischen Blick, den Wolfsperger auf eine kleine Welt wirft, ein großer Kosmos und ein wahrhaftiger Film über Glauben und Gott, Leben, Liebe und Leid, Tod und Teufel.

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