Berlinale Generation 2025 – Der Welt einen Sinn abtrotzen

Zwischen Jahrtausende alten Legenden und kühnen Entwürfen menschlicher Zukünfte spannen die beiden Wettbewerbe "Kplus" und "14plus" 2025 ein weites Feld von Erzählformen auf, von theatralen Reenactments, die die vierte Wand durchbrechen, zu einem Kino großer Gefühle, von Filmen, in denen sich ein tänzerischer Dialog der Körper entspinnt, zu ans Abstrakte rührenden Animationen.

 

"Gerade für das junge Publikum, dem sich 'Generation' besonders widmet, kann die Welt ein einschüchternder, verwirrender und feindseliger Ort sein. Die Beiträge des diesjährigen Programms finden eine Vielfalt von Formen, in denen Kino als ein Ort von Gemeinsamkeit begreifbar wird, als ein Ort in dem Menschen einander begegnen können und Sinn finden. Diese Filme blicken aus neuen Perspektiven auf die Welt, erinnern uns an die Spiel- und Möglichkeitsräume unseres Handelns, und betonen die Bedeutung von Imagination und Fantasie als Ressourcen der Bestärkung", kommentiert Sektionsleiter Sebastian Markt die Auswahl.

Den Wettbewerb von "Generation 14plus" 2025 eröffnet Brendan Cantys "Christy", der seinen jugendlichen Titelhelden dabei begleitet im Schatten einer schwierigen Familiengeschichte neu in seiner Heimatstadt Cork Fuß zu fassen und dabei ein mitreißendes und warmherziges Portrait einer irischen Arbeiter*innenklassencommunity zeichnet. Auch in "A natureza das coisas invisíveis" ("The Nature of Invisible Things"), dem Eröffnungsfilm von "Generation Kplus", ist es die Gemeinschaft eines Dorfes, die die beiden Mädchen im Zentrum des Films dabei unterstützt, mit Schwellenerfahrungen von Abschieden und Aufbrüchen ganz unterschiedlicher Art umzugehen.

Den ins Magische verschobenen Alltag einer namenlosen japanischen Insel portraitiert der sommerlich-farbenfrohe Episodenfilm "Umibe é Iku Michi" ("Seaside Serendipity") von Satoko Yokohama, und kommt dabei immer wieder auf das Verhältnis von Kunst und Leben zu sprechen. Mit Zacharias Kunuk kehrt ein Pionier des Indigenen Kinos zur Berlinale zurück: "Uiksaringitara" ("Wrong Husband") führt in die kanadische Arktis, 2000 Jahre vor unser Zeitrechnung, in ein Märchen über ein junges Liebespaar, in dem die Grenzen zwischen den Welten der Menschen und Geister durchlässig sind. Die Titelheldin von Antoinette Jadaones "Sunshine" wiederum begegnet während einer folgenschweren Entscheidung einem mysteriösen Mädchen, das mit ihr in einen Dialog tritt, der ihre Gefühlswelt greifbar werden lässt. Alissa Jung inszeniert in "Paternal Leave" die Suche einer Jugendlichen nach einem unbekannten Vater als verschlungene Reise zu sich selbst.

Drei dokumentarische Arbeiten im Programm zeigen unterschiedliche Strategien, Gegenwart auszuleuchten: "Zirkuskind" ("Circusboy") von Anna Koch und Julia Lemke wirft ungewohnte Blicke auf die Welt des Zirkus - mit den Augen des jungen Santino und den Erzählungen seines geliebten Urgroßvaters Ehe, dessen Geschichten der Film in Animationssequenzen zeigt. Ausgehend von Diskussionen zumeist Schwarzer Jugendlicher in Schulen in Rio de Janeiro schafft Lucia Murat in "Hora do recreio" ("Playtime") dokumentarische und fiktionalisierende Räume, in denen Erfahrungen von Gewalt, Rassismus und Misogynie darstellbar werden. Und Robin Petré kehrt nach "From the Wild Sea" (Berlinale 2021) mit "Only on Earth" zu "Generation" zurück, einem visuell überwältigenden und immersiven Versuch, im Blick auf von Waldbränden bedrohte Wildpferde unser Verhältnis zu Natur und Tieren zu überdenken.

Zwei weitere Filme verstärken die beeindruckende Bandbreite von Animationsformen im Programm von "Generation" 2025: Der Tod der Großmutter bildet den Ausgangspunkt des Stopptrick-Films "Pohádky Po Babičce" ("Tales from the Magic Garden"), in dem ein junges Mädchen die Rolle der Geschichtenerzählerin übernimmt: eine in liebevoller Detailliertheit animierte Ode an das Geschichtenerzählen als Form, Gemeinschaft zu stiften und Trost zu spenden. Li Wenyu erweckt in "Ran Bi Wa" ("A Story about Fire") einen Mythos der Qiang zum Leben und schafft dabei eine visuell eloquente, universelle Parabel.

Serie in "Generation"

Caru Alves de Souza, die mit "Meu nome é Bagdá" ("My Name is Baghdad") 2020 bei "Generation" vertreten war, präsentiert in einer Sondervorführung ihre neue Serie "De menor" ("Underage"), in der junge Schauspieler*innen in einem anti-naturalistischen Setting und in Anlehnung an unterschiedlichste Genreformate Szenen darstellen, in denen Jugendliche in Konflikt mit staatlichen Autoritäten geraten. Ein kollektives Nachdenken über systemische Dimensionen von Recht und Unrecht.

"Generation" Kurzfilmwettbewerbe

"Little Rebels Cinema Club" heißt der neue Kurzfilm von Khozy Rizal, eine Hommage an den Möglichkeitsraum des Kinos, als Ort der Erinnerung, von Weltverarbeitung, von Gemeinschaft und Selbstentwürfen. Das kann sinnbildlich für das diesjährige Kurzfilmprogramm verstanden werden. Es erzählt von der gewaltvollen Realität von Grenzen und ihren Überwindungen: "Atardecer en América" ("Sunset over America"). In "El paso" ("The Leap") erforschen zwei Jungen die Dimensionen der Dunkelheit. In "Quaker" prallen widersprüchliche Deutungen gemeinsamer Erlebnisse aufeinander. Im Mittelpunkt von "Arame farpado" ("Barbed Wire") steht der Versuch, einen Umgang mit den Konsequenzen des eigenen Handelns zu finden. Eine Reise in die tiefen Schichten des Selbst macht "Down in the Dumps".

Die Filme erzählen vom Wunsch, sich zu behaupten, während noch offen ist, wer Mensch eigentlich ist ("Juanita"); von einem Moment, in dem die Ordnung, in der Menschen sich in der Welt zurechtfinden, neu ausgerichtet werden muss: "Sous ma fenêtre, la boue" ("The Mud under My Window"); von einem Raum ungewohnter Intimität, der sich unerwartet im Lauf der Dinge öffnet ("Julian and the Wind"); von aufkommenden Sehnsüchten, für die es noch keine Sprache gibt ("Ruse"); von dem schwierigen Verhältnis eigener Wünsche und den Erwartungen der anderen ("Howl"), davon, was von Beziehungen bleibt, wenn sie sich lösen ("Wish You Were Ear"). Und nicht zuletzt von der Subversivität des Lachens: "Akababuru: Expresión de asombro" ("Akababuru: Expression of astonishment").

Quelle: www.berlinale.de