SuperTex - Eine Stunde im Paradies
Supertex – Eine Stunde im Paradies
Rainer Gansera, epd- Film, Nr. 3, 02.03.2004
Das Vater-Sohn-Drama in zwei Akten: Rebellion und Anpassung. Söhne müssen gegen übermächtige Väter aufbegehren, gegen die väterliche Ordnung ankämpfen – bis sie erkennen, dass sie den gehassten Vätern ähnlicher sind als gedacht und schließlich dazu bereit sind, in deren Fußstapfen zu treten. Eine alte Geschichte, die in den verschiedensten Varianten – von der biblischen Rückkehr des verlorenen Sohnes bis zu Padre padrone – erzählt worden ist. In seinem Roman "Supertex" hat der holländische Bestsellerautor Leon de Winter diese Geschichte mit einigen autobiographischen Zügen ausgestattet und im Milieu wohlhabender Juden in Amsterdam angesiedelt. Jan Schüttes filmische Adaption des Romans enttäuscht durch ihren merkwürdig hausbacken –hölzernen Fernsehspielstil und kann leider die Schärfe der Konturierungen, wie sie der Roman vorlegt, nicht auf die Leinwand übertragen.
Die Vater-Figur: Simon Breslauer (Jan Decleir) ist ein polnischer Jude, der Ghetto und Deportation überlebt hat, sich in Holland im Alleingang vom Habenichts zum erfolgreichen Alleinherrscher des Billigtextilien-Imperiums "Supertex" aufschwingen konnte. Der erstgeborene Sohn Max (Stephen Mangan), Zentrum der Erzählung, liegt mit Papa im Dauerstreit, weil er dessen Führungsstil und Firmenstrategien für falsch und veraltet hält. Max fühlt sich missverstanden, ignoriert und will endlich aus dem erdrückenden Vater-Schatten heraustreten. Bis sich, angestoßen durch einen schweren Unfall des Vaters, das Blatt wendet: Max erkennt, dass sein Vater rundherum doch ganz okay war. Er kann Papas Lebens- und Arbeitsstil nicht nur nachträglich akzeptieren, sondern sogar adoptieren. Er wird vom widerspenstigen Sohn zu Vaters Erbe im umfassendsten Sinn.
Im Roman ist Max ein schwergewichtiger (90 Kilo), von Potenzproblemen geplagter Mann, der Vaters Art und Lebensform aus vollstem Herzen hasst: "Jahrelang sah ich in ihm nur einen unangenehmen jiddischen Geschäftemacher aus einem polnischen Ghetto, einen Hansdampf und Schwätzer mit Neigung zur Hochstapelei", und am Ende in falschen Idealisierungen den Grund seiner jugendlichen Vater-Opposition erkennt. Im Film zeigt sich Max als smarter Mittdreißiger, der das Prinzip Modernisierung vertritt und zum Prinzip Familienbetrieb inklusive Traditionssinn bekehrt wird. Die markanten Konturen der Roman-Figuren erscheinen abgeschliffen, die Konflikte verdünnt und veroberflächlicht. In vielen seiner bisherigen Filme ("Drachenfutter", "Auf Wiedersehen Amerika", "Fette Welt") hat Jan Schütte das Thema der Heimat- und Orientierungslosigkeit umkreist. Noch nie hat er es derart affirmativ und plakativ als Rückkehr in den Schoß von Familie und Tradition in Szene gesetzt.