Berlinale 2024: Das Programm von Forum Expanded

In seiner 19. Ausgabe präsentiert das Forum Expanded auf der Berlinale 2024 21 filmische Arbeiten aus 21 Ländern.

 

Die ausgewählten Filme, Installationen und Performances lenken unsere Aufmerksamkeit immer wieder auf Gemeinschaften – ihre Konstitution, ihre Bruchstellen und die Gefahren und Zwänge, denen sie ausgesetzt sind. Deutlich werden die oft verschlungenen Wege, auf denen sie ihr Fortbestehen sichern. Die Arbeiten zeigen Verbindungen, die bleibend sind, Familien und Wahlverwandtschaften, die gesellschaftliche Normen subvertieren. Solidarität, Zusammenhalt und Hoffnung werden beschworen und alltägliche Objekte und Materialien metaphorisch umgenutzt, um verborgene Netzwerke zu erforschen, deren vielgestaltige Knotenpunkte an unvorhergesehenen Stellen sichtbar werden.

Hicham Gardaf beobachtet in "In Praise of Slowness" Straßenhändler in Tanger, die flüssige Bleiche feilbieten. Ihr Beruf ist im Strudel der sich beschleunigenden globalen Ökonomie im Verschwinden begriffen und so wirken die demonstrative Langsamkeit der Verkäufer und die charakteristischen Rufe wie ein letztes körperliches Aufbäumen.

Wirtschaftliche Expansion und deren realweltliche Effekte untersucht auch Zhou Tao in "The Periphery of the Base". In der Wüste Gobi entsteht ein Infrastrukturprojekt von solchem Ausmaß, dass es die an ihm arbeitenden Menschen zu verschlucken scheint. Die Kamera tastet die Ödnis ab und fängt wie zufällig kleine Ereignisse und Gespräche zwischen den auf der Baustelle eingesetzten Arbeitsmigrant*innen ein.

"hold on to her" von Robin Vanbesien nimmt Selbstorganisation im Kampf gegen staatliche Verfehlungen in den Blick. Er dokumentiert die kollektiven Bemühungen einer Gruppe von Betroffenen, Aktivist*innen und Unterstützer*innen, einen Fall polizeilicher und staatlicher Gewalt an Migrant*innen in Belgien zu ver- und bearbeiten: Bei einer Verfolgungsjagd auf einer Autobahn kommt ein kleines Mädchen durch einen Schuss der Polizei ums Leben. Ein Film über Fürsorge und Solidarität angesichts tödlicher Grenzregime.

Deniz Şimşek macht sich in ihrem Film "detours while speaking of monsters" auf die Suche nach einem Seeungeheuer, das das Imaginarium ihrer Heimat durchstreift. Auf Umwegen erzählt sie so davon, wie politisch Mythologie ist, und auch von ihrem Verhältnis zum Vater.

Familienbeziehungen und Mythen werden auch in "Grandmamauntsistercat" von Zuza Banasińska untersucht. Die Collage aus Filmmaterial aus dem kommunistischen Polen nutzt die slawische Hexengestalt Baba Jaga, um von einer matriarchalen, aus unterschiedlichen Spezies bestehenden Familie zu erzählen. Die Erzählerin – ein Kind – hadert mit der Reproduktion ideologischer und repräsentativer Systeme.

Weitreichende, verborgene Netzwerke in Form unterirdischer Rhizome und verzweigter Pilzgeflechte sind die Grundlage für die 16-mm-Film-Performance "Nanacatepec" von Azucena Losana und Elena Pardo. Mit Mehrfachprojektionen von Filmen und Objekten erschaffen die beiden Künstlerinnen einen unwiderstehlichen Bildersog aus Naturaufnahmen und Schattenspielen.

Erstmalig wird in diesem Jahr der Hauptraum der unterirdischen Betonhalle des silent green nicht für eine Gruppenausstellung von Film- und Videoinstallationen genutzt, sondern als ein Kino mit 260 Plätzen, in dem Vorführungen von Forum Expanded, Forum und Berlinale Shorts zu sehen sein werden.

Installative filmische Formen bleiben jedoch weiterhin Bestandteil des Forum Expanded-Programms. Installationen werden in den angrenzenden Räumen der Betonhalle zu sehen sein.

Zu den präsentieren Arbeiten zählt Prapat Jiwarangsans "Myanmar Anatomy", eine Recherche zu drei Orten in Yangon (dem Zoologischen Garten, der Ringbahn und dem Drogenbekämpfungsmuseum), die der Künstler mit Interviews mit burmesischen Exilant*innen verknüpft. Ebenfalls zu sehen ist das Erstlingswerk des Little Egypt Collective (Theresa Delsoin, Lisa Marie Malloy, J.P. Sniadecki, Ray Whitaker). "On the Battlefield" zeigt einen Mann mit einem Mikrofon die Felder durchstreifen, auf denen die Pyramid Courts standen – eine Wohnsiedlung, die einst das Herz der Schwarzen Community in Little Egypt im Süden von Illinois bildete.

Forum Expanded wird kuratiert von Ala Younis und Ulrich Ziemons (Leitung) sowie Karina Griffith und Shai Heredia.

Quelle: www.berlinale.de