Berlinale Classics 2024: Zehn Weltpremieren restaurierter Filme

Bei den 74. Internationalen Filmfestspielen Berlin setzen Rainer Rother und sein Team in den Berlinale Classics auf bild- und tongewaltige Genre-Vielfalt: Die Auswahl bewegt sich zwischen frühem Tonfilmexperiment, nüchtern-distanziert gefilmtem Schwarzweißdrama und kunstvoll bunter Exploitation.

 

Die restaurierten Filme in digitaler Fassung werden als Weltpremieren gezeigt.

So kehrt Ishirō Hondas "Gojira" ("Godzilla") zu seinem 70. Jubiläum auf die große Leinwand zurück. Die neue 4K-Restaurierung eines der erfolgreichsten Filme der japanischen Kinogeschichte, verantwortet von TOHO Archive Co. Ltd., würdigt nicht nur dessen optische Brillanz. Auch dem exzellenten Sounddesign sowie der aufwühlenden Filmmusik von Akira Ifukube schenkt sie besondere Aufmerksamkeit.

Ähnlich eindrucksvoll stellt Paramounts 4K-Restaurierung von John Schlesingers "The Day of the Locust" ("Der Tag der Heuschrecke") die immensen Schauwerte des Films heraus. Mit ihren historisierenden Kostümen und Kulissen gehört die selbstreflexive Studioproduktion aus dem Jahr 1975 zu den visuell prächtigsten Spielfilmen aus dem Umkreis des New Hollywood. Präsentiert wird die Restaurierung von Park Circus.

Das am Beginn einer atomaren Apokalypse angesiedelte Drama "Offret" ("Opfer", 1986) von Andrei Tarkovsky ist eine bildmächtige Parabel menschlichen (Fehl-)Verhaltens im Angesicht von Krieg und Umweltzerstörung. Die 4K-Restaurierung des Svenska Filminstitutet bewahrt insbesondere die meisterhafte Lichtsetzung und Farbdramaturgie mitsamt ihren Sepia- und Schwarzweißpassagen.

Ein deutscher Beitrag ist "Reifezeit" ("Time of Maturity") von Regisseur Sohrab Shahid Saless. Ein präzise beobachtetes, schwarz-weiß gefilmtes Alltagsdrama aus dem Berliner Arbeiterbezirk Wedding, das 1976 entstand. Die Restaurierung ist Teil eines transnationalen Projekts des Shahid Saless Archive, mit dem Ziel, das Gesamtwerk des iranischen Regisseurs, der von 1974 bis 1992 in Deutschland arbeitete, wieder zugänglich zu machen.

Ernst Lubitsch ist gleich zweifach vertreten: Zum einen mit seinem Stummfilm "Kohlhiesels Töchter" ("Kohlhiesel’s Daughters") (s. Nachricht vom 31.10.2023), für den Leopold Hurt eine neue Filmmusik komponiert hat, die von Mitgliedern der Berliner Philharmoniker aufgeführt wird, zum anderen mit seinem ersten Tonfilm "The Love Parade" (Liebesparade). Die neue 4K-Restaurierung dieser noch vor dem strikten Reglement des Hays Code entstandenen Romanze, die für das Genre der Tonfilmoperette stilprägend war, entstand bei Universal Pictures in Zusammenarbeit mit The Film Foundation.

Der 1981 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnete Klassiker des „Cine quinqui“-Genres "Deprisa, deprisa" über jugendliche Straftäter*innen von Carlos Saura kehrt als neue 4K-Restaurierung, in deren Herstellung der Regisseur noch persönlich eingebunden war, zur Berlinale zurück. Realisiert wurde die Restaurierung des Films, der als einer der stilistisch prägendsten des Genres gilt, von der spanischen Produktionsfirma Video Mercury Films.

Ein besonderes Highlight ist die digitale Restaurierung von "After Hours" ("Die Zeit nach Mitternacht") des diesjährigen Ehrenbär-Preisträgers Martin Scorsese (s. Nachricht vom 21.12.2023). Sie beruht auf 35-mm-Ausgangsmaterial aus der Sammlung des Regisseurs. Gemeinsam mit der Editorin Thelma Schoonmaker beaufsichtigte Scorsese auch die Farbbestimmung. Criterion Collection und Warner Bros. verantworteten den Restaurierungsprozess des 1985 uraufgeführten Werks in Kooperation mit Park Circus.

Als Berlinale Classics Specials präsentiert die Sektion darüber hinaus die neuen 4K-Restaurierungen von Carlos Reygadas’ "Batalla en el cielo" ("Battle in Heaven", 2005) und Tsai Ming-liangs "Tian bian yi duo yun" ("The Wayward Cloud"). Betreut von Reygadas selbst, kommt in der von Coproduction Office initiierten Restaurierung die provokante Bildgewalt von "Batalla en el cielo" zum Ausdruck und gibt eine hyperrealistische Bestandsaufnahme der sozial gespaltenen Gesellschaft Mexikos. Tsai Ming-liangs ebenfalls aus dem Jahr 2005 stammende und mit dem Silbernen Bären ausgezeichnete Liebesgeschichte "Tian bian yi duo yun" thematisiert dagegen großstädtische Vereinsamung und Entfremdung. Deutlich hebt die Restaurierung von Homegreen Films, die in Zusammenarbeit mit dem Taiwan Film and Audiovisual Institute entstand, die Kontraste zwischen stillen, dunklen, urbanen Szenerien und den heiteren, farbenfrohen Musical-Einlagen hervor.

Im Rahmen der Berlinale Classics-Screenings werden Gäste erwartet, die in kurzen Einführungen die Restaurierungen vorstellen werden.

Quelle: www.berlinale.de