Michael Kötz

Cast, Director, Screenplay, Editing, Producer

"Ein Preis gegen den Trend"




Filmportal.de: Herr Kötz, angesichts der vermeintlich ausgefüllten Festivallandschaft in Deutschland stellt sich unwillkürlich die Frage: Warum ein neues Festival des deutschen Films?


Kötz: Ich habe, glaube ich, zuletzt allein 97 Festivals gezählt. Aber dieses Festival steht in keiner Konkurrenz zu den bereits bestehenden Veranstaltungen. So ist es auch an sich Zufall, dass wir drei Uraufführungen im Programm haben. Es freut uns natürlich, aber es ist im Grunde nicht Zweck der Sache. Es geht vielmehr darum, einen Filmkunstpreis in Deutschland einzuführen. Und um einen Filmkunstpreis zu verleihen, muss man die dafür nominierten Filme zeigen, und dass wiederum ergibt für das Publikum ein Festival. Einfach gesagt: Unter professionellen Gesichtspunkten hätte dieses Festival zuwenig Uraufführungen. Wenn man den Maßstab anlegt, welchen wir ja selbst im November beim Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg haben, wäre es in diesem Sinne kein relevantes Festival: Die entscheidende Idee ist der Filmkunstpreis.


Und die Etablierung eines Publikumsfestivals.

Ja, es ist zugleich ein Publikumsfestival. Es findet ja auf einer Insel im Rhein statt mit alten, schönen Bäumen und einem Strand. Und wir haben viele Liegestühle gekauft und werden auch Cocktails mixen. Wir machen das Ganze als ein Event der Filmkultur, weil die Filme die wir zeigen, natürlich alles andere als Mainstream sind. Und manche Leute werden auch überrascht sein, dass sie sich anstrengen müssen, obwohl sie sich das alles ganz locker vorgestellt haben. Es ist also auch eine Art Verführung, die wir dort stattfinden lassen – in der Hoffnung auch Menschen dahin zu holen, die sich sonst nicht anspruchsvollere Filme ansehen, in diesem Fall aber kommen, weil wir eben Cocktails und Filmstars da haben.

In diesem Sinne, wenn sie so wollen, ist es eine kleine medienpädagogische Anstrengung, die wir hier unternehmen. Und es ist natürlich auch ein Festival der Region. Dafür bekommen wir schließlich das Geld – dass wir eine Veranstaltung einrichten, welche integrativ für die neue Metropolregion Rhein-Neckar wirkt und darüber hinaus auch überregional wahrgenommen wird. Dass ist der Grund, warum wir für dieses Festival finanziert werden. Unser Geldgeber ist vor allem die Industrie und dabei insbesondere die BASF, die uns übrigens auf eine großartige Weise und ohne jegliche Einmischung unterstützt. Sehen sie, wir machen das ja sozusagen als Dreingabe: Wir leben nicht davon, wir haben unser Hauptfestival im November. Wir sind nicht darauf angewiesen, dieses Festival zu machen und wir machen es nicht aus Geldgründen. Wir machen es tatsächlich aus unserer inneren Perspektive heraus: Aus einer Art Idealismus, der medienpolitisch begründet ist. Ich sage es noch einmal: Der Filmkunstpreis hat eine ganz dezidierte Stoßrichtung und will etwas ganz bestimmtes bewirken.


Welchen Stellenwert haben für sie dabei Sonderprogramme wie etwa die "Meisterwerke des deutschen Films"?

Die haben eben genau die Funktion, nämlich Menschen zu verführen, sich mit intelligentem deutschen Autorenkino zu befassen: Indem wir ihnen Meisterwerke zeigen, von denen sie alle schon mal gehört haben und die sie vielleicht immer noch mal sehen wollten. Oder indem wir ihnen "Tatorte" zeigen – ich finde es toll, dass es eine derartig unverkennbare Marke für intelligentes Fernsehen in Deutschland gibt . Aber wir haben eben "Tatort"-Filme von Autoren genommen, die theoretisch von ihrem Stellenwert her auch im Hauptprogramm ihren Platz hätten. Das ist also auch eine Art Verbindungsglied und eine weitere, ich sage mal, "Verführungsmaßnahme". Es ist eine Einladung an Menschen, die sonst nicht kommen würden. Ich bin ein Anhänger der Erweiterung des Publikums, und ich finde es langweilig, immer nur dieselbe Klientel zu bedienen, die sich an sich schon allein versorgen kann.



Durch ihre langjährige Arbeit beim Festival Mannheim-Heidelberg haben sie einen sehr umfassenden Blick auf das internationale Kino. Wo sehen sie den deutschen Film derzeit, nicht zuletzt im Verhältnis zu den anderen Filmkulturen?

Das ist ja genau der Grund, warum wir den Filmkunstpreis eingeführt haben. Den wir mit 50.000 Euro so hoch wir konnten dotiert haben, damit er eine Rolle spielt: Weil er neu ist – da muss man schon ein bisschen klotzen – aber auch, weil er ein Förderpreis ist, der auch wirklich für den nächsten Film verwendet werden will. Der Preis geht übrigens an Regisseur und Produzent, nicht dass jemand denkt, wir hätten etwas gegen Produzenten: Wir haben nur etwas gegen dumme Produzenten. Oder sagen wir mal nicht mal dumme, sondern bauernschlaue Produzenten, die sich immer nur nach den aktuellen Zutaten und Rezepten richten, weil sie ausschließlich Geld machen wollen.

Wie alle wissen, ist der deutsche Film in den letzten Jahren international quasi nicht mehr existent gewesen. Wir haben nur selten deutsche Filme für das Filmfestival in Mannheim-Heidelberg ausgesucht, weil sie einfach nicht konkurrenzfähig waren gegenüber den vielen interessanten Newcomer-Filmen aus anderen Ländern. Ganz einfach, weil das Niveau schlecht war. Das war vielleicht an der Kasse erfolgreich, aber es war schlecht. Nun kann man sagen, das Volk will das so schlecht, aber das glaube ich nicht. Zumal unsere Kinos mit den besseren deutschen Filmen beim Festival im November schließlich auch vollgestopft sind. Die Menschen haben eigentlich ein Bedürfnis nach intelligenten Stoffen, es gibt nur immer irgendwelche Verwalter des Publikumsgeschmacks, die glauben, dass die Menschen es so blöd und rezeptartig haben wollen.

Und es gibt dann eben leider viele jüngere Kinogänger, die jene intelligentere Art, in Deutschland Filme zu machen – die es immer gegeben hat –, überhaupt nicht mehr kennen. Es ist geradezu dramatisch und furchtbar. Und um diesen Horizont wieder zu erweitern, und auch um diese individuellere und wagemutigere Art des Filmemachens zu belohnen, führen wir diesen Filmkunstpreis ein. Es ist ein Preis gegen den Trend des viel zu schnellen und vorzeitigen Schielens auf Umsätze und Einschaltquoten.


Also eine weitere medienpädagogische Maßnahme?

Nein, eine filmpolitische Maßnahme. Mit Pädagogik kommt man im Produktionsbereich nicht weit. Ganz klar: Der Preis hat einen politischen Ansatz – aber einen schönen, der mit Kunst zu tun hat, mit Handeln und nicht nur mit Reden.

Das heißt aber auch: Aus dieser Perspektive erfüllen die Filme, die beim Festival gezeigt werden, die hohen Qualitätsansprüche?

Ja, das heißt es. Na, wir waren ziemlich nervös: Wir haben knapp 200 deutsche Filme gesichtet und waren im Vorfeld nicht sicher, ob wir überhaupt genügend geeignete Filme finden. Und es hat uns dann doch verblüfft, dass wir sie gefunden haben. Das heißt nämlich, es ist alles gar nicht so schlecht wie es aussieht. Oder anders gesagt: Es gibt viel mehr gute Filme als jene halbguten Filme, die dauernd ins Kino kommen. Da muss was passieren: Wir müssen diejenigen Filmemacher ermutigen und stärken, die sich was trauen. Und genau das versuchen wir jetzt.

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