Die Musterknaben

Deutschland 1996/1997 Spielfilm

Die Musterknaben


Rolf-Rüdiger Hamacher, film-dienst, Nr.5, 03.03.1998

Was Schimanski und Thanner für das Ruhrgebiet waren, das sind Docker und Dretzke für Köln-Porz. Nur eine Nummer kleiner. Denn an die spektakulären Fälle läßt man die beiden Beamten des mittleren Dienstes nicht heran. Sie werden lediglich zu Routine-Arbeiten herangezogen. So auch diesmal, als das Landeskriminalamt Düsseldorf um Amtshilfe bittet. Die beiden sollen des nachts die Observierung einer Dealer-Wohnung übernehmen, während die „feinen“ Kollegen aus der Landeshauptstadt die Tagesschicht übernehmen. Während der „Pinkelpausen“ verliebt sich Docker in die Bardame Wanda und plaudert sein „Geheimnis“ aus. Arglos erzählt Wanda ihrer Freundin von Docker und seinem Auftrag, nicht ahnend, daß diese mit dem beobachteten Drogendealer liiert ist. Dretzke und Docker kommen in Teufels Küche, weil sie das Telefongespräch der beiden mitgeschnitten haben, aber nun nicht mehr löschen können. Es sei denn, sie stehlen das Originalband. So brechen sie in die Wohnung des Verdächtigen ein und entdecken, daß die Wohnung jederzeit durch die Tiefgarage zu erreichen ist, deren Eingang sie aber nicht beobachten sollen. Offensichtlich stecken ihre Kollegen aus Düsseldorf mit den Drogenhändlern unter einer Decke. Aber was können zwei kleine Beamte schon gegen die „hohen Tiere“ ausrichten? Beinahe verlieren die Helden wider Willen ihre Polizeimarke, ehe es ihnen gelingt, der Wahrheit zum Sieg zu verhelfen.

Ralf Huettner ist einer der wenigen jungen deutschen Regisseure, die einmal etwas anderes wagen, als die ausgetretenen Pfade der Komödie zu betreten. Er schuf mit „Der Papagei“ (fd 30 139) eine Polit-Satire von Staudtescher Qualität und lieferte mit „Der kalte Finger“ (fd 31 913) einen Thriller, der sich vor Hollywood-Produktionen nicht zu verstecken brauchte. Leider honorierte das Publikum diesen Wagemut nicht. Nun versucht es Hübner mit einem Kompromiß, indem er das klassische „Buddy-Genre“ mit den (besseren) Zutaten deutschen Humors mischt. Herausgekommen ist eine durchaus passable Krimi-Komödie um zwei Anti-Helden mit vielen symphatischen Zügen, über die man trotz aller Schrulligkeit und Tolpatschigkeit nie lacht. Im Gegenteil: Man lacht mit ihnen. Irgendwie haben Jürgen Tarrach und Oliver Korritke etwas von John Belushi und Dan Aykroyd, versehen mit einem Schuß Oliver Hardy und Stan Laurel, ohne daß sie je versuchen, diese zu kopieren. Angesichts ihrer Spielfreude könnte man sich fast wünschen, „Die Musterknaben“ würden zum Pilot-Film einer Serie, die das eintönige Krimi-Einerlei des Fernsehens durchbrechen könnte. Dabei muß man froh sein, daß die ursprünglich fürs Fernsehen geplante Produktion den Weg ins Kino findet.

Natürlich verhehlt der Film in keiner Szene seine auf den kleinen Bildschirm ausgerichtete Bildästhetik, arbeitet hauptsächlich mit Groß- und Nahaufnahmen, konzentriert sich ganz auf Personen und Innenräume. Aber immer wieder durchbricht der sich aus alltäglichen Situationen entwickelnde Humor diese Enge. Herbert Knaup und Gerald A. Held ergänzen als „Böse“ wunderbar das Ensemble und bringen jene Spur Dramatik ein, die die Wirkung des Komischen noch verstärkt. Besonders wenn Huettner und Raacke gegen die Erwartungen des Zuschauers den desillusionierenden Polizisten-Alltag setzen, um ihn dann wieder mit den Träumen ihrer Möchtegern-Helden zu konterkarieren, dann entwickelt der Film einen außergewöhnlichen Charme. Frauen spielen in diesem „Männerfilm“ nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn sie für die beiden „Nachtschichtler“ eigentlich das größte private Problem sind. Daß sie nicht zum „Fülsel“ geraten, liegt an Huettners Gespür für die Leinwandpräsenz junger Schauspielerinnen, die er behutsam und präzise einsetzt.

Nach Veronica Ferres in „Der Papagei“ und Gruschenka Stevens in „Der kalte Finger“ überzeugt nun die Niederländerin Ellen Ten Damme durch ihr frisches Spiel. Auch wenn die Musik nicht jedermanns Geschmack ist, so ist der Hip-Hop-Soundtrack der Kölner Band „Die Coolen Säue“ doch eine willkommene Abwechslung in der deutschen Filmmusik-Landschaft.

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