Super-Stau

Deutschland 1990/1991 Spielfilm

Superstau


Joe Hill, film-dienst, Nr. 6, 19.03.1991

Alljährlich, wenn zur Urlaubszeit Abertausende aufbrechen, um ihre „kostbarsten“ Wochen des Jahres fernab von heimatlichen Gefilden zu verbringen, droht Chaos auf deutschen Autobahnen. Und jetzt, da Millionen Neubürger im Jahre l nach der Wiedervereinigung ihr bislang unterdrücktes Verlangen stillen wollen, ist der allsommerliche Verkehrsinfarkt vorprogrammiert. Da zudem der Deutschen liebstes Spielzeug seit längerem verteufelt wird, verwundert nicht, wenn versucht wird, dem kleinbürgerlichen Aufbruch ironische Seiten abzugewinnen.

Die Konstellation ist einfach gestrickt: drei Familien, aus Ost und West, geraten auf dem Weg in den sonnigen Süden in einen Stau. Da ein solches alltägliches Ereignis schwerlich einen abendfüllenden Spielfilm tragen kann, verliert sich das Drehbuch alsbald in einer überzogenen Nummernschau. Familie Stocker stammt aus Bayern, der Vater ist ein Haustyrann, unterdrückt seine Frau und fürchtet den Neid der Mitbürger. Vater Pacholke malocht im Kohlenpott unter Tage, leidet an Bluthochdruck und will in Genua die Fähre erreichen. Anders dagegen Familie Pippig: beim Autokauf von Bundesdeutschen (West) schamlos übers Ohr gehauen, greift sie auf Vatis Trabi zurück und wird, irgendwo im Süden der Republik, mit der Arroganz der Altbundesbürger und den Auswüchsen freier Marktwirtschaft konfrontiert.

Hier, in der Zeichnung der Charaktere, hat der Film seine Stärken: da wird auf Schauspieler zurückgegriffen, die, kabaretterfahren, das Unheimliche im deutschen Kleinbürger schamlos entlarven. Aber das Drehbuch setzt nicht auf die Beschreibung unterschiedlicher Familienstrukturen. Offenkundig wird befürchtet, daß dies einem abendfüllenden Kinofilm nicht genügen könne. Deshalb wird das Geschehen durch Episoden angereichert, die derart überzeichnet sind, daß die bissig gedachte Farce alsbald eher lächerlich wirkt: zwei selbsternannte Stau-Berater, die zuvor mit ihren Schlitten über die Straßen rasten, werfen sich zu Ordnungshütern auf, die den Stau – und vor allem das Leben am Straßenrand – in die richtigen gesitteten Bahnen bringen wollen. Da werden dann Parzellen zugewiesen, damit die Fahrer und ihre Angehörigen geordnet rasten können; im nahen Wald werden Flächen abgesteckt, wo die streßgeplagten Autofahrer, nach Geschlechtern getrennt, ihren unabweisbaren Bedürfnissen genügen dürfen. Trotz all dieser Bemühungen „um Recht und Ordnung“ kommt es zum Aufstand, als die dürstende Meute erfährt, daß im Wohnwagen des fettleibigen Ludwig Stocker unvorstellbare Vorräte an Fressalien und Bier schlummern, weil Ludwig nichts im Urlaub dem Zufall überlassen will.

An vielen Stellen merkt man der Geschichte an, daß sie vornehmlich eine kabarettistische Nummernfolge ist; einem Teil der Schauspieler ist die Kleinkunstbühne künstlerische Heimat (Ottfried Fischer, Achim Konejung, Horst Schroth). So sind einige Beobachtungen auch ätzend scharfsinnig umgesetzt, aber auf die Distanz abendfüllender Spielfilme fehlt dem Ganzen dann der lange Atem.

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