Der weiße Teufel

Deutschland 1929/1930 Spielfilm

Der weiße Teufel


Lichtbild-Bühne, Nr. 26, 30.1.1930


Tolstoi gab mit seiner Novelle "Hadschi Murat" die stoffliche Anregung zu diesem Manuskript. Der legendäre Held im Freiheitskampf der Tscherkessen gegen die vordringenden Russen-Heere um die heimatlichen Kaukasusberge und den mohammedanischen Väterglauben (um die Mitte des vorigen Jahrhunderts) ist das menschliche Zentrum des ganz auf heroisches Spiel abgestellten Drehbuches von Wolkoff und Linsky, das eine deutliche Dreiteilung zeigt. Vor dem gewaltigen Hintergrund des Hochgebirges setzt es mit Kampf und Krieg ein: Hadschi Murats private Schicksalsverflechtung wird in die historischen, hier in großartige Bilder gefaßten Geschehnisse der kaukasischen Kämpfe eingeschaltet: das Mädchen, das ihn liebt, wird von Kosaken gefangen und verschleppt. Er selbst gerät in Zwist mit dem Oberhaupt der Seinen, Schamil, und flieht mit wenigen Getreuen – um im Hauptquartier der Russen Asyl zu finden. Der weiße Teufel, der Schrecken der Feinde, der glühendste Patriot seines Volkes, muß sich ergeben. Tscherkessische Weisen, vom Donkosaken-Chor aufgenommen, wilde Volkstänze geben diesem Auftakt des Dramas eine stimmungsgesättigte akustische Kulisse.

Eine Bombenrolle für Iwan Mosjukin. Ihm sitzt die Tscherkessen-Uniform unbeschreiblich am straffen Körper, und es ist ein vollendeter Genuß, wenn er sich auf seinem Schimmel reckt. Ein Volksheld, wie er im Buche steht. Er hat die Konturen! Im Spiel sind seinen Mitteln gewiß Grenzen gezogen: aber ein besserer, ein überzeugenderer Hadschi Murat wird in der Welt nicht zu finden sein: und an diesem Punkt entscheidet sich der Erfolg des Films.

Alexander Wolkoff hat – natürlich sind die zur Verfügung gestellten außerordentlichen Mittel in Ansatz zu bringen – eine großartige Regiearbeit bewältigt. Er stand bei diesen Dimensionen des Films vor nicht alltäglichen Aufgaben und hat sie gelöst, hat der Schaulust gegeben, was des Auges ist, und in höchstem Maße das bewiesen, was man an ihm kennt: einen hervorragenden Geschmack, einen gliedernden Überblick und ein sicheres Stilgefühl. Die Gefahr für Wolkoffs Inszenierungen ist, daß er heute noch (genau wie vor 5 Jahren) zu sehr "arrangiert", die Gruppen und die Massen zu deutlich für die Kamera komponiert. Einen guten Instinkt hat er für das Atmosphärische, und namentlich die Hochgebirgslandschaft versteht er eindrucksvoll zur Wirkung zu bringen. Wohingegen die gestellten St. Petersburger Prospekte zum Teil spürbar nach Kulissen riechen – und hier hat auch die Kritik an den Architekten Loschakoff und Meinhardt einzusetzen, die im übrigen dekorativ hervorragende Arbeit geleistet haben. Meisterhaft und über Ausstellungen erhaben ist die Photographie Curt Courants und Nikolai Torkopoffs.

Nicht ungeschickt wurden tonfilmische Mittel für den Erfolg eingesetzt. An sich ein stummer Film, wurde "Der weiße Teufel" von Schmidt-Gentner musikalisch einfühlend und stimmungsfördernd synchronisiert. Nicht allzu aufdringliches Schlachtgetöse und andere synchrone Geräuschwirkungen unterstreichen die Plastik des Bildes, und die Weisen des Donkosaken-Chors schaffen gleich zu Beginn Atmosphäre. Stimmungsvolle, leitmotivisch verwandte Eigenkompositionen verdienen Anerkennung. Die Klangfilm-Wiedergabe war erstklassig. Der Schlußapplaus stürmisch.


Rights statement