Ewige Schönheit

Deutschland 2003 Dokumentarfilm

Hitlers Hits

Der Doku-Film "Ewige Schönheit" sieht die Kraft des Nationalsozialismus in dessen Bildern, bewältigt das Material aber nicht


Daniel Kothenschulte, Frankfurter Rundschau, 14.04.2005

Da ist er also, der Dokumentarstil, der Lutz Hachmeister, Goebbels" filmbiographischem Geburtshelfer (besprochen heute in FrPlus), als hoffnungslos altmodisch erscheinen muss. Eine ruhige, aber mit der Nachdrücklichkeit eines eingefleischten Pädagogen auftretende Kommentatorstimme führt schon in der ersten Minute die These an: Der Nationalsozialismus sei ein Faszinosum geblieben, obwohl seine Theorien noch nie gelesen worden seien. Der Grund sei einfach: das Überleben seiner Bilder.

Das ist in der Tat eine gute Filmidee. Und wenn man sie im altmodischen Stil einer audiovisuellen Vorlesung abhalten möchte, warum nicht? Doch die Worte hören nicht auf, sich über die Bilder zu legen, deren Herkunft manchmal selbst in Vergessenheit geraten ist: Hans Richters avantgardistischer Inflationsfilm war schon den Nazis gut genug, in "Der ewige Jude" die wilden Zwanziger zu illustrieren. Der Beginn des Films folgt Siegfried Kracauers "Von Caligari bis Hitler" (ohne diesen beim Namen zu nennen), wenn in den Fantasy-Schurken des Weimarer Kinos Vorboten für die Nazimythologie gesucht werden. Aber darf man Murnaus "Nosferatu", diese sich jeder Typisierung widersetzende Kunstfigur, wirklich mit dem NS-Wahnbild des vampirischen Juden belegen? Welch plumpe Vereinnahmung eines später verfemten Kunststils. Bei aller Kritik an Kracauers Thesenschrift – nie hätte er das Weimarer Kino auf fünf Filme reduziert. "Dr. Caligari ließ seine Verbrechen von einem Schlafwandler begehen. Wenige Jahre später riefen die Nazis: Deutsche Erwache", heißt es nun in rätselhafter Verkürzung. Was soll das erklären? Waren Hitlers Helfer wirklich nur Schlafwandler?



Das Fatale an den nun folgenden "Greatest Hits" der Nazikunst ist der falsche Eindruck, alles hätte damals ausgesehen wie von Riefenstahl, Speer und Breker gemacht. Tatsächlich haben auch diese Aushängeschilder der Nazikunst selten dem eigenen Anspruch entsprochen. In Triumph des Willens gibt es eben nicht nur kunstvolle Fahrten und Montagen sondern noch mehr visuell Obskures. So verdienstvoll es ist, einmal auch an die Propagandafilme des einstigen Modernisten Walter Ruttmann zu erinnern, der später "Deutsche Panzer" besang; tatsächlich entsprachen seine artifiziellen Montagen kaum dem Standard einer Bildproduktion, deren Gros eher bedeutungslos war. Das Spezifische dieser Art "Nazi-Moderne" wird abermals ausgespart. Warum sollte man nicht einmal die Nazikunst aus ihren tatsächlichen Standards erklären? Vielleicht ließe sich so die angestrebte Entmystifizierung dauerhafter betreiben als durch das Abbilden ihrer Highlights.

Zementierte Mythen

In dem Film gibt es eine gute Passage, die vom "Bilderrecycling" im Kultur- und Spielfilm erzählt. Durchweg fehlende Titeleinblendungen nehmen der Argumentation indes ihre Transparenz. Kein Bild steht für sich, über allem liegt mehr oder weniger zutreffender Text; unbelegte Behauptungen wie "In der Kunst gab es keine Darstellung des Gegners – er wurde ausgemerzt" oder falsche Vorurteile ("Da Kristina Söderbaum in ihren Filmen meist ertrank, nannte man sie die Reichswasserleiche") tragen mehr zur Zementierung des Mythos bei als zu seiner Klärung (die Schauspielerin ertrank nur in zweien ihrer Filme). Geschnitten wurde "Ewige Schönheit" vom Videokünstler Christoph Girardet, der dem Star und seiner morbiden Aura einmal eine ganze Installation widmete – und jetzt hier und da ein Bild distanzierend verlangsamen darf. Um einen künstlerisch-bewussten Umgang mit dem Material aber geht es Filmautor Marcel Schwierin kaum mehr als Hachmeister bei seinem "Goebbels-Experiment".

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