Homunculus, Teil 1 - Die Geburt des Homunculus

Deutschland 1916 Spielfilm

Homunculus


Lichtbild-Bühne, Nr. 25, 24.6.1916


Altmeister Goethe hat im Faust mit dem Homunculus die Menschheitsidee auf das Gebiet der Technik verwiesen, Geister der Welt grübeln über das Problem der Fortpflanzung und wollen erkunden, ob die Natur nicht durch eine Gestaltung von Technik und Wissenschaft ersetzt werden kann. Robert Reinert glaubt der Chemie die Kraft beimessen zu dürfen, an Stelle der Naturgewalten ein menschliches Dasein in die Welt setzen zu können. Er versteigt sich zu der dichterischen Freiheit, daß es einem Professor in seinem Laboratorium gelingt, aus Retorten heraus einen Säugling zu gewinnen. Diese Idee des Autors würde leicht zu Irrwegen der Erfindung, des Ersinnens führen, bei Reinert ist die konsequente Folge der Geburt des Homunculus, daß aus ihm während eines Vierteljahrhunderts ein Mensch geworden, so wie die anderen, nur mit einem Fehler. Wie er sein Dasein nicht der allgewaltigen Liebe verdankt, so muß er, Mann geworden, die Gewalt und die Seligkeit der Liebe missen. (...)

Der Roman wurde verfilmt. Wie profan das klingt! Der erste Teil beweist, daß diese alltägliche Phrase hier wirklich eine Tat bedeutet. Der Autor Robert Reinert hat mit Hilfe von Otto Rippert nicht nur den Beweis geliefert, daß ein Film literarisch wertvoll sein kann, sondern in geradezu epochemachender Weise bekundet, daß der vielgeschmähte Begriff Film mehr Leben bringt und bietet, wie das gemeißelte und formvollendete Wort des Dichters, mehr zu bieten vermag, wie jede Gattung bildender Kunst oder Schaustellungen von Gemälden und Skulpturen. Der Stoff an und für sich mag höchste Literatur sein, um so höher ist es einzuschätzen, wenn es der Film vermag, die große, ihr nicht familiäre Volksmasse in dieses Gebiet emporzuziehen. Dies wurde hier nur so ermöglicht, daß außergewöhnliche Vorgänge derart kinematographisch festgehalten wurden, daß sie auch dem wenig Belesenen begreiflich und verständlich erscheinen.

Dazu gehörten zwei Faktoren, nachdem Autor und Regisseur sich ihre Ziele gesteckt hatten: ein Unternehmen, das dem Vorhaben würdig gewachsen war und dessen Erfüllung mit allen Mitteln anstrebte und ein Darsteller des Homunculus, der ungeahnten, bisher ungekannten Aufgaben gewachsen war. Die Deutsche Bioscop-Gesellschaft hatte die Ambition, die Schöpfung ihres Reinert der Kinematographie zu übertragen. Das war mehr als die Herausgabe einer Filmserie, es war ein Kampf gegen das dem Film bisher begegneten Vorurteil, das Erstreben von Gleichberechtigung mit Kunst und Literatur. Daß sie technische Schwierigkeiten überwand, wie bisher noch nie, ist hierbei ihr nicht zu schmälerndes, wenn auch selbstverständliches Verdienst, daß sie in ihrem Fabrikationskomplex die verhinderten Auslandsreisen durch Ersatz mit Kunst und Geldopfer erstandener Hintergründe zu umgehen verstand, rangiert schon höher zu ihren Gunsten. Daß sie aber für die Personifikation des Homunculus Olaf Fönss heranholte, dafür gebührt ihr die Palme.

(...) Wie die Meisterwerke der Maler, Bildhauer und Tonhelden durch ihre Schöpfungen uns mitreißen, erheben, bilden und veredeln, so und nur so wirkt dieser Film, der eine siegreiche Waffe ward, alle Kinogegner mit einem Male niederzuschmettern. Das ist die Gestaltung, zu der der Film kommen sollte und kommen mußte; Homunculus zeigt die Kinematographie auf jener Höhe, die den Parnaß bildet, sie ist erklimmt und nun heißt es von der Kinematographie: Hier bin ich, und hier will ich mich behaupten!

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