Ich. Immendorff

Deutschland 2005-2007 Dokumentarfilm

Ich. Immendorff


Von Michael Kohler, film dienst, Nr. 11, 2008



Wie malt man mit eingeschlafenen Händen? Dieser Frage musste sich der im vorigen Jahr verstorbene Künstler Jörg Immendorff in seinem letzten Lebensjahrzehnt stellen, nachdem bei ihm eine unheilbare Nervenkrankheit diagnostiziert wurde. In einem schleichenden Prozess lähmt die Amyotrophe Lateralsklerose Arme und Beine des Betroffenen, bevor sie auf die Lunge übergreift und schließlich zum Tode führt. Die Dokumentaristin Nicola Graef durfte Immendorff zwischen 2005 und 2006 mit der Kamera begleiten und greift für eine vorläufige Antwort auf die bei Immendorff ohnehin stark strapazierte Formel vom Malerfürsten zurück. Als solcher dirigiert er einen Hofstaat dienstbarer Geister, die, im herrischen Tonfall angeleitet, seine ermattete Hand ersetzen. Es wäre ihm gänzlich unerträglich, sagt Immendorff dazu im Film, wenn die Persönlichkeit seiner Assistenten auf seinen Bildern erkennbar würde – weshalb man später mit Erleichterung registriert, dass sowohl der Maler wie auch die Dokumentaristin den fleißigen Lieschen immerhin abseits der Immendorffschen Leinwand eine eigene Persönlichkeit zugestehen.



Wie in seiner Malerei war Jörg Immendorff auch als Mensch ein auf Reibung geeichter Charakter. Dass daran die Krankheit nichts geändert hat, ist die wesentliche Botschaft von "Ich. Immendorff". Pünktlich zum ersten Todestag des Porträtierten kommt Graefs Film in die Kinos – weniger eine kritische Würdigung denn ein zu Lebzeiten erstellter Nachruf. Neben dem Künstler selbst kommen Freunde und Weggefährten zu Wort, Immendorffs Mutter öffnet ihre Bilderalben, von allen Seiten wird die Kunst als Lebenselixier des Sterbenden beschworen. Markus Lüpertz sähe seinen Freund wegen dessen offenen Umgangs mit dem Tod gerne zum Helden ausgerufen, Franz Erhard Walther, ein Kommilitone aus Düsseldorfer Akademietagen, wundert sich hingegen immer noch über Immendorffs frühe biografische Wandlung vom wohlerzogenen, ja kindlich-verspielten Studenten zum Jungen Wilden und Bürgerschreck. Auch andere Aussagen legen dem Betrachter nahe, dass Immendorff erst spät zu seiner Rolle fand und aus Anlehnungsbedürfnis heraus "auf Lüpertz machte" (Franz Erhard Walther). Dass der Porträtierte letzteren in künstlerischer Hinsicht um Längen überragt, hätte Graef nicht davon abhalten dürfen, diesem möglichen Wendepunkt ein paar Gedanken mehr zu widmen.

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