plus-minus null

Deutschland 1997/1998 Spielfilm

Ich heiße Alex, wie der Platz

Berlin-Film der anderen Art: "Plus minus null" von Eoin Moore


Daniela Sannwald, Der Tagesspiegel, Berlin, 30.03.2000

Ja, auch das ist Berliner Nachtleben, aber ganz anders als in den Filmen, die man in den letzten Monaten zu sehen bekam: in "Gierig" oder "Fandango". Dieses hier hat nichts zu tun mit der schicken, mittigen Club-Szene und deren abgebrühten Protagonisten. Zwar möchte auch Alex, der Bauarbeiter, gern abgebrüht sein. Aber er ist es nicht, trotz seines betont lässigen Gestus. Er ist ein großspuriger Asphalt-Cowboy, dessen Dauer-Kauen auf einem Streichholz seine Bedürftigkeit eher verrät als verschleiert. Sein Nachtleben findet zwischen Schlafcontainer auf der Großbaustelle und Tiergarten-Strich statt. Und wenn er sich vorstellt, sagt er mit Beifall heischender Miene: "Ich heiße Alex - wie der Platz".

Viele Freunde hat er nicht, denn wer kann ihn schon aushalten, diesen dürren, zappeligen Mann, der Werkzeuge auf der Baustelle klaut und vertickt, um seinen Lohn aufzubessern. Schließlich muss er Alimente für seine Tochter zahlen... Als er auf einem seiner nächtlichen Streifzüge im Trabbi die Prostituierte Svetlana kennen lernt und aus einer prekären Situation befreit, kann er sich ein bisschen wie ein Held fühlen. Svetlanas Herz hat er schon gewonnen, bevor er ihr die bizarre Schönheit der Baustelle bei Nacht zeigt – in einer romantischen Anwandlung, denkt man. Dass diese Tour zum Standard-Verführungsprogramm gehört, bevor es ab in den Container geht, merkt man später, wenn er sie auch mit Svetlanas Kollegin Ruth unternimmt. Beide Frauen sind ähnlich einsam wie Alex, und beiden gefällt er: Svetlana, weil sie ihre eigene Fragilität in ihm widergespiegelt sieht; Ruth, weil er ihr mütterliches Herz rührt. Beide machen Pläne, in denen er eine Rolle spielt. Svetlana droht die Abschiebung nach Bosnien, deshalb will sie Alex heiraten. Und Ruth kann sich eine Existenz als Imbisswagen-Wirtin an Alex" Seite vorstellen.



Ja, "Plus Minus Null" ist ein Berlin-Film, aber einer, der weder dem neuen noch dem alten Berlin-Mythos huldigt, in dem es weder um das neue Tempo noch um die alte Skurrilität geht. Und das liegt vielleicht daran, dass Eoin Moore kein Deutscher ist, sondern Ire. Deswegen hat er mit dem Blick desjenigen, der eine Stadt liebt und kennt, den Alltag gesucht. Und dessen Reiz entdeckt. Dass er, wie er zu Protokoll gibt, vom neuen britischen Kino geprägt ist, ist sicher ein Grund für die unprätentiöse Art, mit der er die Entdeckungen in Bilder umsetzt. „Plus Minus Null" kommt ohne jede Dramatik aus und vor allem ohne jene bedeutungsdräuende Schwere, die auch die besseren deutschen Filme mitunter lahm legt.

Moores Dramaturgie ist voller kleiner Überraschungen: So stehen die Einstellungen oft länger als erwartet, und man hat Zeit, sich noch ein wenig darin umzusehen. Oder sie werden mit einer Schwarzblende beendet, was uns für Sekundenbruchteile auf uns selbst zurückwirft. Und gerade weil Alex" berlinerndes Genöle und das im Mundwinkel auf und ab wippende Streichholz einem so schrecklich auf die Nerven gehen, hat man das Gefühl, solchen Typen schon häufig begegnet zu sein. Im merkwürdigen Berlin, für dessen Wahrnehmung dieser schöne, kleine Film die Sinne schärft.

© Daniela Sannwald

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