Das wandernde Bild
Das wandernde Bild
F., Lichtbild-Bühne, Nr. 1, 1.1.1921
Wer der Première dieses Filmdramas in 5 Akten von Thea Harbou und Fritz Lang im Tauentzienpalast beiwohnte, konnte feststellen, daß wohl selten ein so großer Erfolg sich einstellte und doch so gemischte Gefühle geweckt wurden. Der Film behandelt nämlich einen Legendenstoff, hat aber auch einen Einschlag eines Detektivfilms, allerdings ohne Polizeibeamten, er bringt eingeflochtene Landschaften, Volkssitten und Gebräuche, eine Sprengung, Lawinenstürze, Verfolgungen über Felsen und Klippen, einen Absturz, kurz Sensationen aller Art: man möchte fast sagen, zu viel des Guten. (...) Man sieht Mia May als junges und für Höheres begeistertes Mädchen, als liebende Frau, als sorgende Mutter, als für die Frauenehre kämpfendes Weib, als Gram- und Kummergebeugte, als von Todesgefahr Gerettete, als Entsagende und dann ihr Glück Wiederfindende, alle diese Gemüts- und Seelenzustände verkörperte sie mit überzeugender und tiefergreifender Natürlichkeit. Man sah sie in ihrer ganzen Schöne und dann wieder vergrämt, verbissen, schier gealtert; es gab Momente, in denen sie jauchzte, zumeist aber erregte ihr Schicksal da oben auf der Leinwand Mitleid. Hans Marr gab die Doppelrolle der beiden Brüder, indem er größten Anforderungen gerecht wurde, unter trefflicher Unterscheidung der beiden verschiedenen Charaktere, und Rudolf Klein-Rogge den Verwandten, der in Liebe entbrennt, zum Beschützer wird und dann entsagen muß, treffend wieder. – Das beste am Film sind jedoch die herrlichen Naturaufnahmen in tadelloser Photographie, Schneelandschaften und vor allem die Gewitterszenen. Künstlerisch auf der größten Höhe steht das Bild, wo die Türe einer Hütte geöffnet wird, und ein Blitz die Schneelandschaft aufleuchten läßt. Robert Neppach hat diesen Film ausgestattet, wie dies bisher noch nicht erreicht wurde. Es war daher dem Spielleiter Fritz Lang in Zubehör und Besetzung alles geboten, um Vollwertiges zu leisten und dies ist ihm auch im ganzen Maße gelungen.