Eine sonderbare Liebe

DDR 1983/1984 Spielfilm

Sonderbar ja, aber Liebe?

 

Günter Agde, Filmspiegel, Berlin/DDR, Nr. 20, 1984

Nach merkbarer Pause wieder ein DEFA-Film in unseren Kinos, den anzusehen lohnt. Regisseur Lothar Warneke, der flexible, zäheste Moralist unserer Kinematographie, und Autor Wolfgang Witt bauen eine Kalkulation, von der sie – und die Zuschauer – wissen, daß ihr ziemliche gesellschaftliche Bedeutung innewohnt, weil die Gesellschaft für zwischenmenschliche Widersprüche der gestalteten Art kaum Hilfen hat (oder vielleicht auch gar nicht haben kann?). Zwei Alleinstehende, nicht mehr ganz jung und also auch voller Erfahrungen und Hemmungen und ohne Illusionen, wollen ihr Alleinsein entschlossen angehen: (…) Herzstück des Films ist, wie die beiden nun ihr Zusammenleben praktizieren: Mit bestem Willen, aber unbeholfen in den Mitteln, in den alltäglichen, normalen Gesten und Haltungen des Umgangs miteinander. Da ist auch Hilflosigkeit sich selbst und dem anderen gegenüber im Spiel, rührend und sympathisch in einem. Furcht vor Enttäuschung stärkt die Kräfte, aber die Anstrengung des Bemühens bringt nur selten Lockerheit und Souveränität hervor. So wird es ein sonderbares Miteinander – mit allen Krisen und Freuden, die man sich denken kann. Wirt und Warneke lassen da nichts aus, und was sie erzählen, erzählen sie mit viel Herzenswärme für ihre beiden Helden. Freilich, ob da Liebe zwischen Sibylle und Harald entsteht, die ihrer Verbindung die nötige Dauerhaftigkeit gibt und die aus Miteinander Harmonie und Glück macht, muß wohl offen bleiben.

Gerade das halte ich für einen Vorzug (den Titel akzeptiere ich der Werbung wegen). Damit befördert der Film das so nötige, öffentliche Nachdenken über zwischenmenschliche Probleme, die nicht durch Verordnungen oder Bekenntnisse geregelt werden können, sondern nur durch souveräne, bewußte Persönlichkeiten, wie sie die sozialistische Gesellschaft – ihrem historischen Wesen nach – hervorbringt und zugleich braucht. Abweichungen zwischen den Vorschlägen des Films, den täglich sichtbaren Erscheinungen und der philosophischen Dimension möchte ich hier ausdrücklich als Antrieb für Nachdenken und Debatte ansehen. Natürlich hat man bei diesem Film oft sein stilles Vergnügen, wenn man – in künstlerisch geformten Erfindungen – alltägliche Situationen wiedererkennt, nach dem Motto "Genau so ist es!" Bleibt die Frage, ob dieser Spaß sich auch den erheblich jüngeren Generationen mitteilt und sie anregt oder ob er der Generation der Abgebildeten vorbehalten bleibt.

Und auch dies sei gesagt: Es ist ein Männerfilm, also kümmert er sich emsig um viele genaue Nuancen im Bild der Frau (dies spie auch die Hauptdarstellerin Christine Schorn aus, mit der Warneke – ebenso mit dem glänzenden Kameramann Thomas Plenert –bereits bei "Die Beunruhigung" erfolgreich zusammenarbeitete). Der Mann hat hier – vergleichsweise – geringere, auch schmalere Möglichkeiten, sein charakterliches Profil sichtbar zu machen und aufblühen zu lassen. Hier nutzt Warneke Jörg Gudzuhns Ausstrahlung nach Kräften, und Gudzuhn selbst nutzt, was die Rolle bietet.

Und dabei kommt ins Blickfeld: Der Film ist im Genre unentschieden. Die große Komödie, die er im Ansatz und im Spiel der Hauptdarsteller weitgehend anbietet, versagt sich offenbar noch angesichts der gesellschaftlichen Brisanz der Problematik. Zum Seelendrama existentiellen Ausmaßes fehlt es der Geschichte an Breite und Tiefe (die Freunde und Partner der beiden sind z. B. kaum mehr als Stichwortgeber, nicht aber Kontrast- oder Komplementär-Figuren zum Problem)! Die Genre-Unentschiedenheit, die ich erklären, aber nicht gutheißen kann, muß man wohl auch der Mitte anlasten, die der Film zwischen Kunst und Pamphlet, zwischen Publizistik und Ästhet einnehmen muß. So sei er uns als guter, weil zwingender und ehrlicher Diskussionsbeitrag willkommen.

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