Spielbank-Affäre

DDR Schweden 1956/1957 Spielfilm

Raritäten aus der Grabbelkiste


Georg Seeßlen, epd Film, Frankfurt/Main, Nr. 10, 1993


"Spielbank-Affäre wirkt wie eine seltsame Verknüpfung von Realismus und bundesdeutschem Traumkino, es ist, als hätte sozusagen jemand von außen versucht, in diesen Traum einzudringen, ihn zugleich zu genießen und zu decouvrieren. Dementsprechend unglücklich verlief die Rezeptionsgeschichte des Films. In der Bundesrepublik wurde er als böse antikapitalistische Propaganda abgelehnt (und zugleich mochte man seinen "ungesunden" Manierismus nicht), und in der DDR galt er als ideologisch trübe und bürgerlich-dekadent. "Es war offenkundig, daß die bürgerliche Ideologie mehr oder weniger verschleiert in die DEFA-Produktion eingeschmuggelt werden sollte", behauptet die DDR-Filmgeschichtsschreibung später. Offenkundig ist vor allem, daß "Spielbank-Affäre" zu den Filmen gehörte, die einen radikalen Wandel in der staatlichen Filmpolitik der DDR auslösten. Im Juli 1958 kam die "Filmkonferenz des Ministeriums für Kultur" zu einer drastischen Forderung an den Film; die Kernfrage für Förderung oder Verbot eines Projekts lautete nun: "Nützt er optimal unserem real-humanistischen Anliegen, dem Sieg des Sozialismus?" Damit scheint auch die Karriere des Regisseurs von "Spielbank-Affäre" beendet gewesen zu sein, jedenfalls findet sich in den DEFA-Statistiken der nächsten fünf Jahre kein Film von Arthur Pohl mehr.

Der Film beginnt mit dem in der BRD-Kinematographie populären Traum: Italien. Eine Gruppe von Models ist auf Modenschau-Tournee; eine lange Kamerafahrt die Strandpromenade entlang zeigt die pastellfarbenen Häuserfronten, ungemein bonbonhaft die Farben der Automobile und Kostüme der Frauen, eine Welt, die sich in Rosa sehen möchte. Daß sie einen herrlichen Ausblick aufs Meer haben werden, davon hat die Leiterin gesprochen, aber viel mehr als für das Blau des Wassers und des Himmels interessiert sich die Kamera für die Baldachine, Erker und Mauern, für Sonnenschirme und Kleider, die Reihen der Liegestühle, die nicht am Strand, sondern vor der Hotelfront aufgestellt sind. Schon jetzt wissen wir eigentlich nicht mehr so recht, ob der Film noch träumt oder schon denunziert. Denn so wie er uns verdeutlicht, daß in dieser Touristenwelt offenbar die Natur bereits ausgeblendet ist, so erklärt er auch, daß der hier ausgestellte Reichtum von durchaus dämonischer Art ist. Prompt verweigert man im Hotel denn auch den jungen Frauen die ver­sprochene Aussicht aufs Meer. (…)



In dieser Inszenierung der Formen und Farben, die sich in Pohls Film von Szene zu Szene steigern wird, wäre ebensogut eine Abstraktion der bundesrepublikanischen Konsumästhetik zu erkennen, die so (unfreiwillig) parodistisch wirkt, weil sie nicht aus der wirklichen Anschauung, sondern aus der Rekonstruktion geboren ist, als auch eine metaphorische Darstellung des "anarchischen" Kapitalismus, dessen äußerlicher Reichtum nicht bloß kulturelle Dekadenz, sondern auch moralische Leere und Disharmonie ist. (…)

Die bemerkenswerten Inversionen dieses Films in Bezug auf den bundesdeutschen Unterhaltungs- und Anpassungsfilm beginnen mit der Charakterisierung der Protagonisten. Es gibt weder den "guten Kapitalisten", der, nachdem man ihm ein bißchen Menschlichkeit beigebracht hat, alle Schicksale einzurenken in der Lage ist, noch die mythische Versöhnung der Jungen mit der Macht der Alten. Noch weniger gibt es den Ausweg in die Natur, in der sich eine neue Gemeinschaft bilden könnte, die Welt dieses Films ahnt noch nicht einmal, daß es auch ein draußen gibt (und auch diese luxuriöse Klaustrophobie ist durch und durch ambivalent). Die Verhältnisse bleiben statisch, und im Nebenbei, aber deutlich genug, erfahren wir von der Durchlässigkeit der Systeme von Gangstertum, Kapital und Staat, etwa in der Beteiligung von Stadt und Staat an Gallingers Spielbank. (…)

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