Von 31. Mai bis 30. Juni 2016 präsentiert das Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum in Berlin 13 Langfilme des in den 1970er Jahren nach Westdeutschland emigrierten, iranischen Regisseurs Sohrab Shahid Saless – die umfangreichste Würdigung dieses einmaligen Werks seit über 15 Jahren.
Man könnte Sohrab Shahid Saless einen Weltbürger des Kinos nennen: Der 1944 geborene Iraner studierte in den 1960er Jahren in Wien und Paris, drehte anschließend in seiner Heimat eine Reihe von Kurz- und zwei auf internationalen Festivals gefeierte Langfilme, wanderte 1975 nach Westdeutschland aus, wo 13 weitere Regiearbeiten entstanden, und verbrachte schließlich seine letzten Lebensjahre in den USA. Die Erfolgsgeschichte eines Jet-Set-Regisseurs ist das allerdings nicht. Im Gegenteil: Jede einzelne Station im Leben des Filmemachers war mit – teilweise existenzbedrohenden – Kämpfen verbunden.
Schon während seines ersten Europaaufenthalts musste sich Sohrab Shahid Saless mit zermürbenden Gelegenheitsjobs über Wasser halten, im Iran geriet er schnell in Konflikt mit der Zensur, die deutschen Filme entstanden im Zuge ständiger, oft polemisch ausgetragener Auseinandersetzungen mit Filmförderung und Fernsehredakteuren; und die Zeit in den USA war, soweit man sie überhaupt rekonstruieren kann, geprägt von schweren Krankheiten, Armut und einem selbstzerstörerischen Lebensstil. Was bleibt, sind die Filme, ist ein Werk, das im deutschen Filmschaffen seiner Zeit und bis heute einzigartig ist. Hypnotisch bis klaustrophobische Momentaufnahmen meist von den Rändern, gelegentlich auch aus der für sich selbst unsichtbaren Mitte der Gesellschaft.
Den Anfang macht am 31.Mai Saless' Langfilmdebüt "Yek etefaghe sadeh" / "A Simple Event". Im Zentrum steht familiärer Alltag: Der Vater hält sich und die seinen mit illegaler Fischerei gerade so über Wasser, die Mutter ist krank. Der Film folgt in langen, ruhigen Einstellungen, die sich Schritt für Schritt zu einem feinsinnig rhythmisierten Alltagsmosaik zusammensetzen, dem zehnjährigen Sohn auf seinen Fußwegen, auf Passagen zwischen langsam eskalierender Familientristesse, Schulterror und gelegentlichen Straßenerlebnissen. Schon in seinem ersten Langfilm etabliert Saless die zentralen Konstanten seines Werks: eine strenge, ganz auf die unmittelbare Kraft des Visuellen vertrauende Bildsprache – im gesamten Film werden kaum zwei Dialogsätze gesprochen; einen naturalistisch-minimalistischen Schauspielstil, dem alle psychologischen Kurzschlüsse fern sind; und vor allem einen Blick auf gesellschaftliche Außenseiterschaft, der gleichzeitig auf Distanz bedacht und doch absolut solidarisch ist mit der existentiellen Einsamkeit der Protagonisten.
"Ein Zentralmassiv des Weltkinos" stellt laut Olaf Möller Saless' "Utopia" dar, den wir am 4. Juni um 20 Uhr und am 8. Juni um 19.30 Uhr vorführen, jeweils als restaurierte 35mm-Filmkopie. Ein zynisch-brutaler Zuhälter (Manfred Zapatka in der Rolle seines Lebens) hat in einer klaustrophobischen Altbauwohnung ein denkbar unglamouröses Bordell eingerichtet. Rosi, Susi, Renate, Helga und Monika schaffen für ihn im "Club Arena" an. Jede einzelne Einstellung durchdringt ein Gefühl der absoluten Ausweglosigkeit. Jeder Ausbruchsversuch ist immer schon kontaminiert, wird selbst zum funktionalen Teil jener unerschütterlichen Machtverhältnisse, in die das System Prostitution eingelassen ist. Saless' Regie federt nichts ab von diesen Härten, sein Formbewusstsein schließt das Publikum mit ein in eine Welt, in der irgendwann schon das ewiggleiche, schrille Türklingeln zu einem Folterwerkzeug wird. Man ist, wenn man nach diesem Film wieder ans Tageslicht tritt, nicht mehr derselbe Mensch wie der, der den Kinosaal betreten hatte.
Die Werkschau Sohrab Shahid Saless findet in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum München statt. Sie ergänzt die Ausstellung "Immer bunter. Einwanderungsland Deutschland" der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die ab dem 21. Mai im Deutschen Historischen Museum zu sehen ist.
Quelle und vollständiges Programm: www.dhm.de/zeughauskino/