Die Sieger

Deutschland 1993/1994 Spielfilm

Die Sieger

Simone Mahrenholz, epd Film, Nr. 10, Oktober 1994

Ein Titel mit Ironie: Die starken Männer haben am Schluss sämtlich verloren. Denkt man darüber nach, warum auch der Film, nach einem starken Anfang, schließlich verliert, woran er scheitert trotz seiner für deutsche Verhältnisse hervorragenden Ausgangsbedingungen (14-Millionen- Budget, mehrere Jahre Vorbereitungszeit), so ist es vielleicht gerade diese Ironie, die ihm fehlt, eine gewisse spielerische Distanz. In jedem Moment merkt man dem Film seine hohen Ambitionen an: Er schleppt seine vielfältigen Absichten wie Ballast mit sich herum und versucht, jeder der diversen Filme zu sein, den sich die mitwirkenden Köpfe ausgemalt haben. Allein an Story und Script waren laut Presseheft neun Männer beteiligt.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein Sondereinsatzkommando (SEK) der Düsseldorfer Polizei. Ein Fall von organisiertem Verbrechen ist zu bekämpfen; es geht um Geldwäsche aus Drogengeschäften. Die SEK-Einheit soll eine Geldübergabe in einem Hotel auffliegen lassen. Diese – beinahe – Anfangsszene ist gleich eine der stärksten und lässt den Film ahnen, der "Die Sieger" hätte werden können. Fesselnde Bild- und Tonmontagen, das Spiel mit der Diskrepanz von Bild und Klang, Collagen aus mehreren Geräusch-Ebenen, die Aufforderung an den Zuschauer, mit den Sinnen komplexe Informationen zu verarbeiten – all das weckt die beruhigende Vor-Lust im Kinosessel, sich Reizen ausgesetzt zu sehen, die genau wissen, was sie mit einem anfangen wollen. Doch schon scheitert die Ambition an der Technik. Wann immer die Tonmontage komplex wird, sind viele Dialoge nicht mehr zu verstehen.

Die Erstürmung und Festnahme im Hotel gelingt nicht nach Plan. Ein Mann flieht, und ein SEKler, Polizeihauptmeister Karl Simon (Herbert Knaup), glaubt in ihm den verstorbenen Kollegen Heinz Schaefer erkannt zu haben. Die Vorgesetzten weisen Simons Verdacht zurück, geben allerdings zu, dass der Geflohene ein V-Mann ist. Staatssekretär Dessaul (Thomas Schücke) beschließt, der Beobachtung des Polizeithauptmeisters nachzugehen. Der nächste Einsatz führt die SEK- Männer als Personenschützer auf ein Fest unter Politikern. Hier lernt Simon Dessauls attraktive Frau Melba kennen (Katja Flint). Beide sind sofort voneinander fasziniert, eine Affäre liegt in der Luft. Melbas Ehemann hat derweil entdeckt, dass ganze Regierungskreise in Geschäfte mit Geldern aus dem organisierten Verbrechen verwickelt sind. Als er sein Wissen preiszugeben beschließt, wird er entführt.

Waren schon die akustischen Feinheiten häufig der Technik zum Opfer gefallen, so liegen die entscheidenden Actionszenen – auf der Bergstation der Karwendel-Drahtseilbahn – buchstäblich im Dunkeln, kurz nur feiert der Film das wunderbare, im Kino gänzlich ungewöhnliche Licht auf den Felsen unmittelbar vor Sonnenaufgang. Doch viele Details der Bild- und Lichtdramaturgie gehen in den Nachtaufnahmen verloren.

Das Team um Regisseur Dominik Graf intendiert mit diesem Film vor allem einen harten Polit-Thriller. Doch gerade die besonders auf Spannung angelegten Szenen im letzten Teil geraten dramaturgisch oft langatmig. Die beabsichtigte Mystery- Komponente wiederum (ein Toter kehrt zurück) ist ihrerseits schnell durchschaut. Daneben wird ein realistisches Porträt von Alltag und Mentalität der SEK-Beamten angestrebt. Dies hat noch den höchsten Reiz und Informationswert, man ahnt die gründlichen Recherchen und Interviews mit Ex-SEKlern, die den Dreharbeiten vorangingen. Außerdem wird deutsche Politik in die Nähe des organisierten Verbrechens gerückt, eine warnende Vision. Schließlich geht es noch um die Verwirrung zwischen Liebe, Erotik und Leidenschaft, um die Welt des Geldes, des Glamours und der Macht. Der Film versucht die Frauenfiguren als psychologisch differenzierte Charaktere zu zeichnen. Und gerade hier scheitert er eklatant. Die Frauen sind Projektionen des Beschädigtseins: sanfte Irre (Meret Becker), häuslich-frustrierte Heimchen oder Mütter (Valerie Vail). Die dritte Frauenvariante, die Schöne, Starke, Glamouröse (Katja Flint) scheint bei näherem Hinsehen die Verstörteste. Sie hat einen Ehemann, den sie nicht begehrt und dem sie eine Geliebte besorgt. Schönheit, Status und teure Villen machen nicht glücklich. Diesen und verwandte Gemeinplätze inszeniert der Film mit teils voyeuristischem, teil pädagogischem Impetus.

Dass Graf komplexe zwischenmenschliche Beziehungen zu inszenieren weiß, sah man in "Tiger, Löwe, Panther". In seinem neuen Film fehlt diese leichte Hand in der Personenführung völlig. Die Daueranspannung, von der der Film nicht profitiert, sondern an der er leidet, ist hier nicht inszeniert, sondern offensichtlich beim Drehen bei den Schauspielern ausgelöst: ein für Kreativität tödliches Missverständnis. Dennoch ist "Die Sieger" ein unter deutschen Filmen überdurchschnittliches Werk, in seinem unterschiedlich gut eingelösten Anspruch auf Realismus, Komplexität, Spannung und Kritik. Herbert Knaup in der Rolle des Simon dem an Persönlichkeiten armen deutschen Kino erschlossen zu haben, einen Mann mit Gesicht und „Starpotential", ist auch ein Verdienst des Films.

 

 

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