Von einem slowakischen Boxer, der vom Boxen nicht lassen kann, einem polnischen Jedermann, der von einem Fauxpas zum nächsten stolpert, der Menschwerdung eines Wolfsjungen in Belgrad, einer Lehrerin in einer bulgarischen Kleinstadt, die ihren SchülerInnen ein Vorbild sein will und dabei selbst ins Strudeln gerät und vielen weiteren starken Menschen erzählt das Wettbewerbsprogramm von goEast - Festival des mittel- und osteuropäischen Films.
Mit zehn Spielfilmen und sechs Dokumentarfilmen aus 16 Produktionsländern bringt es vom 22. bis 28. April 2015 in Wiesbaden die bemerkenswertesten neuen Autorenfilme aus Mittel- und Osteuropa auf die Festivalleinwände. 13 der 16 Wettbewerbsfilme sind Deutschland-Premieren.
Am Mittwoch, 22. April, eröffnet "Cialo / Body" (Polen 2015) von Malgorzata Szumowska das vom Deutschen Filminstitut veranstaltete Festival. Szumowska erhielt vor zwei Monaten auf der Berlinale einen Silbernen Regie-Bären für ihren Film.
Wortwörtlich von einem starken Mann erzählt das atemberaubend schön in Szene gesetzte Boxer-Drama "Koza" (Slowakische Republik, Tschechische Republik 2015) von Ivan Ostrochovský. Zwei überzeugende Beiträge befassen sich indirekt mit dem Staatszerfall Jugoslawiens: Bereits auf dem Filmfestival in Venedig sorgte das Erstlingswerk des Serben Vuk Rumovic, "Nicije Dete / Niemandskind" (Serbien, Kroatien 2014) für Aufsehen. Es erzählt von der Menschwerdung eines Jungen, der unter Wölfen aufgewachsen ist. Ein spannungsreich-subtiles Sozialdrama mit hervorragenden SchauspielerInnen ist "Kosac / Der Sensenmann" (Kroatien, Slowenien 2014) von Zvonimir Juric.
Gleich zwei starken Frauen in der Schuldenfalle begegnet das Wettbewerbs-Publikum in diesem Jahr: Eine präzise und lakonische Studie der Lehrerein Nadezhda liefert "Urok / Die Lehrstunde" (Bulgarien, Griechenland 2014) von Kristina Grozeva und Petar Valchanov. Eine Tragikkomödie um die elegante Mittvierzigerin Nino im heutigen Tiflis gelingt Salomé Alexi mit "Kreditis Limiti / Kreditlimit" (Georgien, Frankreich, Deutschland 2014).
Russland ist mit zwei ganz eigenen, wunderbaren Bildwelten vertreten: In dokumentarisch-poetischen Aufnahmen zeigt Andrey Konchalovsky in seinem ausschließlich mit LaiendarstellerInnen gedrehten "Belye Nochi Pochtalona Alekseya Tryapitsyna / Die Weissen Nächte Des Postboten" (Russland 2014) die Schönheit der Natur und die fragile Welt der kleinen Leute. Bei dem Filmfestival in Venedig erhielt er 2014 für dieses Werk den Silbernen Löwen. Aleksey Fedorchenko erzählt in "Angely Revolyutsii / ngel Der Revolution" (Russland 2014) von fanatischen KünstlerInnen der Avantgarde in den 1930er Jahren, die sich nach Sibirien aufmachen, um bei der indigenen Bevölkerung die Lehre Lenins durchzusetzen.
Der polnische Regisseur und Schauspieler Jerzy Stuhr unternimmt mit "Obywatel / Bürger" (Polen 2014) eine satirische Tour de Force durch 60 Jahre polnische Geschichte und der Polit-Thriller "De Ce Eu? / Warum Ich?" (Rumänien, Bulgarien, Ungarn 2015 ) von Tudor Giurgiu thematisiert Korruption in Rumänien.
Ein weiterer origineller Debütfilm im Wettbewerb ist "Kebab I Horoskop / Kebab & Horoskop" (Polen 2014) von Grzegorz Jaroszuk, der stilistisch wie die osteuropäische Version eines Aki Kaurismäki-Films anmutet.
Im Wettbewerb außer Konkurrenz läuft zudem "Pod Elecricheskimi Oblakami / Unter Eelektrischen Wolken" (Russland, Ukraine, Polen 2015) von Aleksey German Jr., der bei der diesjährigen Berlinale mit dem Silbernen Bären für eine Herausragende Künstlerische Leistung ausgezeichnet wurde.
Stilistische und thematische Vielfalt bieten auch die sechs Dokumentarfilme im Wettbewerb. "Destinacija_Serbistan / Destination_Serbistan" (Serbien 2015) von elimir ilnik hält der restriktiven europäischen Einwanderungspolitik den Spiegel vor, indem er den Alltag von Menschen, die eine lange Flucht ins serbische Hinterland geführt hat, dokumentiert.
"Drifter" (Ungarn, Deutschland 2014) von Gábor Hörcher, Preisträger für das beste Dokumentarfilmdebüt beim International Documentary Festival Amsterdam 2014, beleuchtet den Lernprozess eines Teenagers auf dem Weg zum verantwortungsbewussten Erwachsenen.
In "Goli / Nackte Insel" (Kroatien 2014) erzählt die Regisseurin Tiha K. Gudac von der
Gefangenschaft ihres Großvaters auf der Insel Goli otok, einem berüchtigten Umerziehungslager Titos. "Jama / Zuhause" (Tschechische Republik 2014) von Jirí Stejskal findet starke Bilder für eine starke Frau, die in einer ungewöhnlichen Wohngemeinschaft lebt und deren Geschicke sie liebevoll dirigiert. Irgendwo zwischen Tagebuch und Experimentalfilm angesiedelt ist "Vmeste / Zusammen" (Russland 2014) von Denis Shabaev, der einen faszinierenden Einblick in die ebenso komplizierte wie verzauberte Welt eines Kindes ermöglicht. "Flotel Europa" (Dänemark, Serbien 2015) von Vladimir Tomic dokumentiert die Schicksale jugoslawischer Kriegsflüchtlinge, die Anfang der 1990er-Jahre auf einem riesigen Schiff eine temporäre Heimat fanden.
Alle Spiel- und Dokumentarfilme konkurrieren im Wettbewerb um den mit 10.000 Euro dotierten Preis für den Besten Film, den Preis für die Beste Regie der Landeshauptstadt Wiesbaden (7.500 Euro) sowie den Preis des Auswärtigen Amtes für kulturelle Vielfalt (4.000 Euro). Die FIPRESCI vergibt den Preis der Internationalen Filmkritik.
Alle Spielfilme des Wettbewerbs laufen zudem als Wiederholungen von Freitag, 24., bis Mittwoch, 29.April, im Kino des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt.
15. goEast Filmfestival vom 22. bis 28. April 2015 in Wiesbaden
Vom 22. bis 28. April findet zum 15. Mal goEast - Festival des mittel- und osteuropäischen Films in Wiesbaden statt. Das vom Deutschen Filminstitut veranstaltete Festival präsentiert seit 2001 alljährlich die künstlerische und thematische Vielfalt des Filmschaffens aus Mittel- und Osteuropa. Ob eigenwilliges Autorenkino oder Mainstream, Spiel- oder Dokumentarfilm - die ausgewählten Produktionen bieten beeindruckendes Kino, meist noch unentdeckt vom westlichen Kinomarkt. Die Fülle des mittel- und osteuropäischen Autorenkinos zeigt sich bei den 16 ausgewählten Beiträgen im Spiel- und Dokumentarfilmwettbewerb. Bewegende, eigenwillige und wegweisende Produktionen zeichnen ein differenziertes Stimmungsbild der Gesellschaften Osteuropas. Filmemachen in Kriegszeiten ist in diesem Jahr einer der thematischen Schwerpunkte von goEast.
Quelle und mehr Infos unter: www.filmfestival-goEast.de