Ausstellung "FILMTHEATER. Kinofotografien von Yves Marchand und Romain Meffre" im Deutschen Filmmuseum

Das Kino ist für die Menschen seit beinahe 120 Jahren ein unwiderstehlicher Zauber-Raum, ein Ort des Schmerzes, des Mit-Fieberns – und des puren Glücks. Um diesen magischen Ort dreht sich alles in der Ausstellung "FILMTHEATER. Kinofotografien von Yves Marchand und Romain Meffre" vom 26. November 2014 bis 31. Mai 2015 im Deutschen Filmmuseum Frankfurt.

Seit 2005 erforschen die Pariser Fotografen Yves Marchand und Romain Meffre in ihrer Serie "Theaters" alte US-Kinopaläste, von denen viele heute verfallen oder umgenutzt sind: als Fitnessstudio, Supermarkt oder Busgarage. 30 Aufnahmen der Serie bilden den Schwerpunkt der Ausstellung, die die Motive erstmalig in einer Einzelschau versammelt.

"Wir arbeiten historisch, aber nicht nostalgisch", betonte Claudia Dillmann, Direktorin des Deutschen Filmmuseums, auf der Pressekonferenz am Montag: "Das heißt, wir fragen mit dieser Ausstellung, die das Kino als selbstverständlichen Ort des Alltags thematisiert, auch: Was ist die Gegenwart und vor allem, was ist die Zukunft des Kinos? Denn trotz der Allgegenwart des bewegten Bildes, und obwohl Filme schauen inzwischen für viele Konsum bedeutet: Wir glauben an die Zukunft des Kinos!"

Marchand und Meffre sind fasziniert von Ruinen: Als fotografische Archäologen begeben sie sich seit 2001 auf Spurensuche in den Ruinen der Industriegesellschaft und machten 2010 mit dem Buch Ruins of Detroit Furore, das den faszinierenden Verfall der einstigen US-Auto-Boomtown dokumentiert. Dort wie auch in den US-Filmpalästen suchen sie nach Bildern, die – wie sie selbst sagen – die "Psychologie einer Ära" einfangen. "Man bekommt ein Gefühl für Geschichte an diesen Orten", betonte Romain Meffre am Montag, und machte das am Metropolitan Opera House von Philadelphia deutlich, das 1908 als Opernhaus gegründet wurde, in den 20er Jahren ein Kino war, in den 30ern ein Ballsaal , in den 40ern eine Sportstätte und seit 1954 als Kirche genutzt wird.

Das Kino entwickelte sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in rasender Schnelle. In den USA entstanden zwischen 1914 und 1922 rund 4000 Kinos und die Menschen rannten den Kinobetreibern die Türen ein. Es waren die Jahre, in denen die zunehmende Industrialisierung auch dafür sorgte, dass die große Masse der US-Amerikaner nun plötzlich über Freizeit verfügte. Die Filmindustrie reagierte umgehend und baute Kinos: Statt dem Volk schmucklose Betonquader hinzustellen, packte sie die Menschen bei ihren Träumen und baute ihnen Paläste. Tausendfach entstanden opulent ausgestattete, goldsatte Gebäude von unglaublicher architektonischer Pracht. Das Kino war zur Oper der einfachen Leute geworden. Hier fühlten sich Jill und Joe Smith wie die Könige.

Und alle, alle wollten dabei sein: Schon für 1930, gut drei Jahrzehnte nach der Erfindung des Kinos, weist die Statistik 90 Millionen Besucher pro Woche in den US-Kinos aus, und das bei einer Bevölkerungszahl von rund 123 Millionen. Ein gigantischer Boom, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch einmal Fahrt aufnehmen würde, um erst mit dem Aufkommen des Fernsehens in sich zusammenzufallen. In der Folge setzte in den 60er Jahren das große Kinosterben ein und die wunderbaren alten Filmpaläste standen leer, verfielen oder werden neu genutzt. Auf unzähligen Reisen durchmaßen Marchand und Meffre die USA von Nord nach Süd und Ost nach West – immer auf der Suche nach alten Kinos, die sie mit einer Großformat-Kamera fotografieren. Viele der Fotos entfalten erst auf den zweiten und dritten Blick ihre Wirkung: Bei manchen Motiven mögen flüchtige Betrachter erst einmal den Verfall sehen, in großen Placken abgeplatzte Vergoldungen, staubüberzogene Sitzbezüge, zerrissene Vorhänge, zerborstene Scheiben: Hier hat es sich ausgeglänzt.

Doch dann fährt der Blick zurück aufs große Ganze und entdeckt die Zeugnisse einstiger Pracht, den Luxus, der sich in ausladenden Kronleuchtern, in wertvollen Marmorfußböden, in fein ziselierten Holzverzierungen, im schwungvollen Stuck, im leuchtenden Samt, in der schieren Größe der Häuser ausdrückt. Die Erhabenheit der Räume, deren einstiger Glanz nach Jahrzehnten noch zu spüren ist, kündet auch heute noch von der großen Zeit der Filmpaläste.

Für Marchand und Meffre sind die alten Kinogebäude mehr als nur architektonische Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit. Für sie sind die leerstehenden oder umgenutzten Filmtheater auch Sinnbild der "gesellschaftlichen Entwicklung der USA". Sie stehen für die "komplexe Beziehung zwischen Kunst, Geschichte, Wirtschaft und Moderne und verdeutlichen den Wandel hin zu Massenproduktion und Globalisierung". Aus Sicht Marchands und Meffres zeigen ihre Kinofotografien Räume, in denen "das Spektakel der Moderne" vonstatten ging.

Die Ausstellung FILMTHEATER präsentiert die so überwältigenden Werke der Kinofotografie erstmalig in einer Einzelschau. Darüber hinaus lädt ein Kino im Ausstellungsraum mit einer 35mm-Filmprojektion dazu ein, sich in die deutsche Kinogeschichte zu versenken: Kinowochenschau-Berichte aus den 40er bis 70er Jahren dokumentieren, wie sich das Kino in Deutschland veränderte. Die Besucher/innen können diesen Wandel aber auch aus einer Frankfurter Perspektive nachvollziehen: Eine kommentierte Bilderschau gibt Einblick in die Frankfurter Kinogeschichte, von den ersten Filmvorführungen in Varieté-Theatern und dem 1906 eröffneten ersten ortsfesten Kino des August Haslwanter bis zur neuesten Innovation, dem Ende 2012 eröffneten Premiumkino Astor an der Zeil.

Eine Ausstellung im Kinofoyer erkundet die Geschichte des ersten öffentlich geförderten Kommunalen Kinos (heute Kino des Deutschen Filmmuseums) seit seiner Gründung 1971.Das Kino hat in seiner Geschichte unglaublich viele Wandlungen vollzogen, über die sich intensiv diskutieren lässt. Begleitend zur Ausstellung FILMTHEATER lädt das Deutsche Filmmuseum im Begleitprogramm zu Debatten ein, die das Kino und seine Entwicklung in den Blick nehmen. Eine Filmreihe gibt Gelegenheit, sich darauf zu besinnen, dass das Kino der Ort ist, an dem Filme ihre Magie entfalten.

In Zusammenarbeit mit Yves Marchand und Romain Meffre und Polka Galerie, Paris. Die Polka Galerie dankt dem Rainbow laboratory und Plasticollage für die Drucke.

Wir danken unseren Förderern: Stadt Frankfurt am Main, Dr. Marschner Stiftung, Förderkreis des Deutschen Filminstituts/Deutschen Filmmuseums e.V.

Quelle: www.deutsches-filmmuseum.de