Freche Mädchen

Deutschland 2007/2008 Spielfilm

Freche Mädchen


Von Kathrin Häger, film-dienst, Nr. 15, 2008

„Hanni und Nanni“ gegen „Die drei ???“ – geschlechtsspezifische Fokussierungen im Auflagenkampf der Jugendliteratur sind nichts wirklich Neues; deren Qualitätsmaßstäbe auch nicht. Während Astrid Lindgren und Erich Kästner Geschlechter und Generationen durch anspruchsvolle Geschichten zu fesseln wussten, blieb an Enid Blytons Internatsgeschichten immer ein gewisser Trivialitätsgeruch haften, wohingegen sich die Fragezeichen-Krimis von Robert Arthur zu Hör- und Lese-Klassikern mauserten. Seitdem hat sich viel verändert: „Harry Potter“, den „Chroniken von Narnia“ oder dem neu verfilmten „Krabat“ wird heutzutage das magische Potenzial zugestanden, jung und alt gleich welchen Geschlechts in die Kinos zu locken. Neben diesem augenfälligen Siegeszug fantastischer Sujets streckte jedoch noch eine weitaus fester im Leben verwurzelte und äußerst durchsetzungsfähige „Subkultur“ im Blätterwald der Verlage ihre kinematografischen Fühler aus. Ließen sich junge Mädchen in den letzten Jahren von „Wilden Kerlen“ und nicht minder „Wilden Hühnern“ begeistern, avancierte „Freche Mädchen – Freche Bücher!“ unterdessen zur erfolgreichsten deutschen Mädchenbuch-Reihe, deren Exemplare aus der „frechen Feder“ verschiedener Autorinnen weltweit über sieben Millionen Mal verkauft wurden.

„Wild“ wird also zu „frech“, wenn aus den aufregendsten Versatzstücken der Romane von Bianka Minte-König ein Kinofilm zusammengeschustert wird, in dem auf spannende Abenteuer im Gegenzug zu den süßen Jungs an der Schule oder der nächsten Casting-Show scheinbar ruhig verzichtet werden kann. Ein von hochstilisierter amouröser Dramatik angetriebenes Teenie-Karussell also, das sich einzig um die erste große Pausenhof-Liebe dreht, wobei die scherenschnittartigen Holzpferdchen (der Macho, der Coole, der Verkannte) von den jungen Betreiberinnen ohnehin im Zweimonats-Takt ausgewechselt werden. Konfusionen angesichts gleichgeschlechtlicher Zuneigung, siehe „Die wilden Hühner und die Liebe“ (fd 38 095), tiefgründige Charakter- und Problemzeichnungen, womöglich noch ein metaphorisches Synchronschwimm-Setting wie zuletzt in „Water Lilies“ (fd 38 789) sucht man hier vergebens. Und für das Scheidungskind Mila wird selbiger Zustand auch nur zum Problem, als sich ihre Mutter den neuen Referendar Pit Winter angelt. In den Vertretungslehrer hat sich die 14-Jährige nämlich über beide Ohren verknallt, nachdem sie und ihre besten Freundinnen Hanna und Kati mit fruchtbaren Folgen die Deutschlehrerin Kempinski und den schrulligen Musiklehrer Mc Donald verkuppelten. Während sich die dunkelhaarige Mila in Folge entnervt mit den beziehungstechnischen Wirrungen ihres Freundeskreises, einer Rechtschreibschwäche und einem unbekannten Verehrer abplagt, knutscht Rotschopf Hanna mit Branko, der eine gemeinsame Marathon-Teilnahme ausheckt, den Casting-Show-Traum seiner Freundin hingegen doof findet. Die blondgelockte Kati ist zunächst in den verfressenen Tobi verliebt, hört irgendwann aber auf, ihm die Pausenbrötchen zu schmieren, führt eine kurze Fernbeziehung mit ihrem Cousin Florian und verliebt sich unsterblich in den neuen, aufmüpfigen Mitschüler Brian. Und wo bleibt am Ende Mila? Auf einem Ponyhof in einer vom Sonnenuntergang geschwängerten Umarmung mit ihrem bisher übersehenen Märchenprinz.

Das ist schon ein ziemlich enges inhaltliches Korsett, das hier auf eine etwa zwölfjährige, pubertierende Zielgruppe zurechtgeschneidert wird. Mögen Schwärmerei, Zickenkrieg und das schnelle Casting-Glück auch einen großen Teil der Gehirne junger Mädchen beanspruchen, eine solche Vereinnahmung nimmt man den durchaus selbstbewusst und zielorientiert gezeichneten Figuren dann doch nicht ab. Vor allem, wenn diese inhaltliche Prämisse zusätzlich durch eine bis zur Karikatur überzeichnete und dargestellte Erwachsenenwelt zu sehr überspannt wird – mit Anke Engelke als Milas chaotischer Mutter, Armin Rohde als fanatischem Mathe- und Piet Klocke als schrulligem Musiklehrer. Eigentlich ist Regisseurin Ute Wieland („FC Venus“, fd 37 580) dabei fast ein inszenatorisches Kunststück gelungen, dass ihr junges Publikum bei all den ausgelegten (Darsteller-)Fäden nicht den roten aus den Augen verliert. Obwohl strikt aus der Perspektive der drei Freundinnen erzählt, fühlt man sich als Erwachsener dennoch bald wie die Aufsichtsperson einer ganzen Klasse, die glücklicherweise — oder leider — nicht ganz so frech ist, wie es der Titel suggeriert. Da können die Split-Screens, Zeichentrick-Einlagen oder Milas tagträumerische Wunschvorstellungen in der Tradition von „Ally McBeal“ wenig Boden wettmachen. Enid Blyton hätte sich vor mehr als 60 Jahren auch nicht weiter aus dem Fenster gelehnt.

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