In Buenos Aires haben Filmwissenschaftler einen sensationellen Fund gemacht: In einem aus Privatbesitz stammenden 16-mm-Negativ entdeckten die Mitarbeiter des Museo del Cine Pablo C. Ducros Hicken vor kurzem die bisher fehlenden Szenen des Klassikers "Metropolis" von Fritz Lang.
Die Geschichte der Verstümmelung von "Metropolis" ist berüchtigt. Berühmt ist der Film durch die Geschichte seiner Wiederherstellung – angefangen in den 1960ern im Staatlichen Filmarchiv der DDR, über eine quellenkritische Rekonstruktion des Filmmuseum München (E. Patalas) in den 1980ern, bis hin zu einer digitalen Restaurierung in 2001, die Martin Koerber im Auftrag der Friedrich-Wilhelm-Murnau- Stiftung, Wiesbaden durchführte. Diese Restaurierung basiert auf der Fassung des Filmmuseum München und der im Bundesarchiv-Filmarchiv verwahrten Filmmaterialien und wurde in Zusammenarbeit mit diesen beiden Institutionen sowie Partnern des Kinematheksverbunds realisiert. Darüber hinaus entstand eine Studienfassung von Enno Patalas in Zusammenarbeit mit der Universität der Künste, Berlin, die die überlieferten Fragmente in ihrer ursprünglichen Beziehung zueinander anordnet und Fehlendes durch schriftliche, bildliche und musikalische Quellen ergänzt.
Dank der vielen überlieferten nicht-filmischen Quellen, waren die vielen Lücken, die in diesem Film auch nach jahrzehntelangen Recherchen in internationalen Filmarchiven und bei Privatsammlern weiterhin klafften, besonders schmerzlich bewusst. Fotos haben uns einen Eindruck von dem gegeben, was fehlt – die zu Statisten zusammengekürzten Figuren des Georgy, des Schmalen und des Josaphat, die Autofahrt durch die Metropolis, Georgys Überwachung durch den Schmalen, Freders Fieberfantasien vom Schmalen, der sich in den apokalypsepredigenden Mönch verwandelt.
Jetzt erwachen diese Szenen durch den Fund in Buenos Aires zu neuem Leben. Auch wenn die Bildqualität beklagenswert ist, wird dank des argentinischen Materials nun endlich der jahrzehntelange Traum einer Komplettierung von "Metropolis" wahr. "Bisher Unverständliches wird klar, die mitunter rätselhafte Beziehung der Figuren untereinander bekommt einen Sinn", so Anke Wilkening, Restauratorin der Murnau-Stiftung. Die Geschichte der Wiederherstellung kann zu Ende geschrieben werden.
"In Fortsetzung der Restaurierung von 2001 würde die Murnau-Stiftung sehr gern gemeinsam mit den damaligen Partnern und dem Museo del Cine Pablo C. Ducros Hicken in Buenos Aires eine vollständige Version erstellen und der Öffentlichkeit zugänglich machen – um so mehr, als "Metropolis" als erster Film überhaupt in dieser restaurierten Fassung von 2001 – Sicherungsstück Nr 1 - in das Memory of the World Register der UNESCO aufgenommen wurde", so Helmut Poßmann, Vorstand der Murnau-Stiftung.
Der Kuratoriumsvorsitzende der F.W. Murnau-Stiftung, Eberhard Junkersdorf: "Durch diesen sensationellen Fund wird die Murnau-Stiftung in die Lage versetzt, den Film weitestgehend wiederherzustellen. Damit könnte endlich das Ziel erreicht werden, dem Meisterwerk Fritz Langs so nahe wie nie zuvor zu kommen und es der Welt zu präsentieren."
Seit ihrer Gründung vor 42 Jahren setzt sich die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung für den Erhalt, die Pflege und die Zugänglichmachung eines Großteil des deutschen Filmerbes von herausragender kultur- und filmhistorischer Bedeutung vom Beginn der Laufbilder bis zum Anfang der 1960er Jahre, nämlich 2.000 Stummfilme, 1.000 Tonfilme und rund 3.000 Kurzfilme (Werbe-, Kultur-, Dokumentarfilme) ein. Darunter finden sich neben "Metropolis" die großen Klassiker des deutschen Kinos wie "Das Cabinet des Dr. Caligari", "Der blaue Engel" und "Große Freiheit Nr. 7".
Aktuelles, aufwändiges Restaurierungsprojekt ist Fritz Langs Monumentalfilm "Die Nibelungen", der 2010 mit neuer Musikeinspielung Premiere feiern soll.
Quelle: Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung