Irgendwo dazwischen

Deutschland 2004/2005 Dokumentarfilm

Irgendwo dazwischen


Oliver Rahayel, film-dienst, Nr. 25, 2006

Gartenzwerge bewachen die Vorgärten, Frauen ziehen sich fürs Kehren oder Rasenmähen Kittel über, Männer singen im Gesangsverein, das Restaurant und die Bäckerei gehören derselben Familie. Drumherum gibt es nur Felder und Landstraßen, und die Tankstelle macht als Letzte das Licht aus: deutsche Provinz, wie sie leibt und lebt, überall scheinbar gleich, unterscheidbar nur durch ihre Bewohner. In fast satirischen Bildern zeigt der Film Impressionen aus Niedereschbach, einem Dorf im Schwarzwald, in dem es, wie überall, eine Dorfjugend gibt, die sich in Cliquen organisiert. Silva von Gerlach hat sich für ihren Filmakademie-Abschlussfilm drei Jungs als Protagonisten herausgesucht, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Maxi macht bald Abitur, aber nichts zieht ihn weg aus dem Dorf. Er ahnt, dass er sich in der Fremde, selbst in der nächsten Großstadt, einsam fühlen würde ohne die Clique. Dule hat andere Visionen von seinem Leben nach der Schule. Er ist Sänger und Gitarrist einer Amateurband, mit der er einen regionalen Wettbewerb gewinnt, und will diesen Weg unbedingt weiter gehen. Er sitzt gerne in der Jurte im Garten der Familie; er ist ein deutscher Moslem, und dieses gewisse Exotendasein gibt ihm Selbstvertrauen. Anders Heiko, der nie wirklich Anschluss an die Clique gefunden hat, immer nur allein zu sehen ist (wenn nicht mit Mutter oder Hund) und abseits steht; selbst dann, als das "Event des Jahres" stattfindet, ein Skater-Contest samt Auftritt von Dules Band.

"Irgendwo dazwischen" befinden sich die Jungs, zwischen dem sorglosen Dasein als Kinder oder Jugendliche im Schoß von Familie, Schule, Dorf und Clique, und dem langsamen Emanzipieren aus eben diesem Umfeld. Ein halbes Jahr lang hat die Regisseurin die drei begleitet. Einerseits funktionieren die Treffen noch, beim Hüttenbau, Basketball, Biertrinken – nur Mädchen spielen, zumindest im Film, keine Rolle. Aber die drei Hauptfiguren, zugleich die einzigen, die wirklich zu Wort kommen, wissen, dass sie sich an einem Scheideweg befinden und machen sich ihre Gedanken darüber. Ihre familiäre Herkunft ist ein bequemer Mittelstand, von dem aus sie die Dinge in Ruhe auf sich zukommen lassen können. Leider zeigt der Film gerade die Familie von Dule, die offenbar etwas abseits vom "Mainstream" lebt, als einzige nicht. Dafür wird man Zeuge allmählicher Auflösungserscheinungen. Vor allem ein wegen einer Lächerlichkeit entfachter Streit zwischen Maxi und Dule ist dafür ein Symptom. Die Regisseurin ist praktisch überall dabei, in der Schule, im Jugendzimmer, bei Freizeitbeschäftigungen, beim Bandwettbewerb. Manchmal wird sie ins Geschehen eingebunden, etwa, wenn Dule sie in sein "Paradies", einen Gitarren-Laden, lockt, oder Heiko seinen Hund auffordert, in die Kamera zu schauen. Vieles, was die Jungs tun, wirkt spielerisch, oder soll so wirken, denn oft verbirgt sich hinter dem Nicht-so-ernst-Gemeinten eine gewisse Verunsicherung. Sieht man den Film im Rahmen der Filmreihe "ueber arbeiten", geht es hier weniger um die Arbeitswelt selbst als um die Voraussetzungen, aus denen junge Leute in sie hineinwachsen: charakterliche Prägungen, die das Leben vorzubestimmen scheinen.

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