Die Entfernung zwischen dir und mir und ihr

DDR 1987/1988 Spielfilm

Kinder ihrer Zeit


Elke Schieber, Film und Fernsehen, Berlin/DDR, Nr. 11, 1988


Zwei Jahre nach seinem Debüt "Stielke, Heinz, fünfzehn…" stellt Michael Kann seine Komödie "Die Entlernung zwischen dir und mir und ihr" vor. Die Geschichte, die auf den ersten Blick wie eine Dreiecksbeziehung zwischen zwei Frauen, Marga ( Kirsten Block ) und Anne ( Silvia Rieger ) sowie dem Mann Robert ( Jörg Simonides ) wirkt, ist die Rekonstruktion eines Lebenslaufes ohne den Zwang eingleisiger kausaler Bezüge: Warum ist einer das geworden, was er ist oder vorgibt zu sein? Eine mögliche Antwort des Films (in Anlehnung an Hans Fallada , der sich selbst einen "Schilderer" und keinen "Besserer" nennt): "Sie sind Kinder ihrer Zeit, und die Zeit sickert in sie hinein." (…)

Stefan Kolditz (er erhielt auf dem diesjährigen Nationalen Spielfilmfestival den Preis für das beste Szenarium) verknüpft verschiedene Handlungsebenen miteinander, spielt sie gegeneinander aus. Visionen, Träume, Erinnerungen, eine freche, provozierende Sprache rücken Roberts Dar- und Vorstellungen seines Ich, von Situationen und Ereignissen sowohl ins Licht als auch ins Gegenlicht: Es gibt so viele Gründe dafür, warum es Anne, Marga und Robert nicht gelingt, ihr Leben nach einem – ihrem – Entwurf zu gestalten.

Große Vorbilder der internationalen Kinokunst haben eine Erzählweise geprägt, die den Zuschauer nicht aus der Verantwortung entläßt. Sie verstanden es, durch komische Übertreibung, Satire und Ironie zu unterhalten und Nachdenken und die Suche nach Auswegen zu provozieren, aber auch Mitgefühl für ein tragisches Schicksal in Umbruchzeiten zu erzeugen. Einen solchen Weg eingeschlagen zu haben ist den Schöpfern dieser Arbeit zu danken. Mit ihrer für unser nationales Spielfilmschaffen unerprobten Struktur ist sie eine Bereicherung und Herausforderung. Doch nicht immer erreicht der Film wirkungsvolle Dichte in der Inszenierung und Montage der Vorgänge und Gags, in der Darstellung der Figuren, die oft das vorzeigen und deuten, was die komischen Brüche im Text bereits beschreiben. (…)

Trotzdem bewahren diese Helden im Vergleich zu Erfolgsmenschen wie Roberts Freund Michael oder Bernie ihre Sehnsüchte und ein Gewissen, das sie offensichtlich nicht zur Ruhe kommen läßt.

Eine Assoziationskette in Gang gesetzt zu haben, die mich über Fallada und Christoph Heins umstrittenes Buch ,"Der fremde Freund", über Christa Wolf zu Bettina von Arnim führte, und die Frage nach unseren Werten und ihrer Erfüllung für den einzelnen im Alltag – darin sehe ich das eigentlich Anregende dieser Arbeit von Michael Kann und Stefan Kolditz.

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