Abend - Nacht - Morgen
Abend – Nacht – Morgen
Der neue Detektivfilm in den Decla-Lichtspielen (die nach ihrer Renovierung einen angenehmen Aufenthalt bieten) scheint ein Versuch des Herrn Schneider aus München zu sein. Er bietet keine Sensationen, keine Überraschungen, keine artistischen Bravourstücke, dafür aber umsomehr Unwahrscheinlichkeiten, Unmöglichkeiten und eine große Portion Regienaivität.
Die Geschichte dreht sich nach bewährtem Muster um ein Perlenhalsband, welches ein reicher alter Herr für eine kleine Grisette, in die er verliebt ist, erstanden hat. Ein Bekannter dieses Millionärs ist ein ruinierter Lebemann, der Geld braucht und in seiner Klemme auf den Gedanken kommt, dem alten Herr den Schmuck zu rauben. Er bricht Nachts in die Villa ein und da er den Schmuck nicht findet, kommt er auf die Idee, den alten Herrn durch Zerschlagen einer Vase aus dem Schlaf zu wecken. (!) Dieser erwacht auch programmäßig, schlägt aber nicht – wie man erwarten sollte – Lärm, sondern sieht zunächst in seinem Tresor nach, ob der Schmuck noch vorhanden ist. Bei dieser Gelegenheit wird er des Einbrechers hinter der Gardine gewahr und will ihn erschießen, wobei ihm aber der noble Einbrecher zuvorkommt. Der raubt dann den Schmuck und täuscht Selbstmord vor, indem er die Leiche nachträglich erhängt. Die kleine Grisette hat einen Bruder, namens Brilburn, auch ein Taugenichts der stets in Geldverlegenheit ist. Er bricht des Schmuckes wegen ebenfalls bei dem Millionär ein und findet diesen am Strick vor. In seinem noch nicht ganz ertöteten Gefühl der Menschlichkeit schneidet er den Erhängten ab und verschwindet unverrichteter Dinge. Der alte Herr hat aber ein sehr zähes Leben (aus Menschlichkeitsgefühl wünsche ich dem Herrn Schneider auch ein solches) und ist trotz Kugel und Strick garnicht tot. Nun tritt der Detektiv in Aktion, der mit einer kolossalen Findigkeit – man müßte meinen, seine Nase wäre eine Wünschelrute – alles am nächsten Morgen herausbaldowert und den Verbrecher hinter einer Brikettwand, (die garnicht einfallen wollte, weil dem Herrn Autor auch nichts einfiel) mit Handschellen fängt, worauf auf der Leinwand das Wort "Ende" erscheint. An dem Film kann keine Weddingkolonne und kein Detektiv etwas lernen, und das wird der Zensur vielleicht angenehm gewesen sein. Man fragt sich nur, wie ein Conrad Veidt (als Brilburn), ein Otto Gebühr (als Detektiv Ward) und eine Gertrud Welker (als Lebedame Maud – ich bezeichnete sie als Grisette) einen solchen Schmarren spielen konnten. Wären diese Drei nicht so begnadete Künstler, man könnte ihnen böse sein. Der Name des Regisseurs ist nicht genannt. (F. W. Murnau, Anm. d. Red.) Gratuliere! Und die Film-Firma hat sich auch gedrückt. Wäre es nicht besser gewesen, das Honorar dieses Manuskriptes au fonds perdu zu schreiben? – Herr Hamm hat durchweg gute Bilder geliefert und Herr Neppach vornehme Dekorationen. Gertrud Welcker trug schöne und interessante Kostüme, die ihrer Lieblichkeit viel Reiz verliehen.