Rübezahls Hochzeit

Deutschland 1916 Spielfilm

Paul Wegeners Kinoziele


Lichtbild-Bühne, Nr. 40, 7.10.1916


Als vor Monaten Paul Wegener in der Philharmonie einen Vortrag über seine Kinoziele und die Entwicklungsmöglichkeiten des Films hielt, als er hierbei eine völlig unangebrachte und herbe Kritik über die Filmbranche fällte, da erhob sich von allen Seiten Widerspruch. Man protestierte gegen die damalige Auffassung Wegeners, die ganze Branche in Grund und Boden zu verdammen, obschon man andererseits gern bereit war, Lehren von einem Mann wie Wegener entgegenzunehmen. Die neuen Kinoziele, die Wegener in seinem damaligen Vortrage in großen, vielleicht auch wenig klaren Zügen zeichnete, wollte er zu erreichen suchen und der Kinematographie einen Weg zur Höherentwicklung weisen.

Am vergangenen Sonntag Mittag hatten wir Gelegenheit, das erste Werk, seine in die Praxis umgesetzte Theorie zu besichtigen. In dem Film "Rübezahls Erzählungen" sollte der Anfang gemacht sein auf dem Wege zu dem Kinoziel, die Kinokunst zu erreichen.

Vor Beginn der Vorstellung sprach Wegener einige einleitende Worte. Es war aber etwas anderes, nicht mehr die bittere, herbe Kritik, mit der er s. Zt. die Branche abtun zu können glaubte. Die Bezeichnung "Afterkunst", mit der er und andere neben ihm die Kinematographie bezeichnen, hält Wegener heute nicht mehr für angebracht. Die Schundroman-Films, die dem Kino diese niederschmetternde Charakterisierung eintrug, seien längst verschwunden und man bemühe sich heute überall, den Film auf eine künstlerische Stufe zu stellen.

Hat zu dieser Sinnesänderung bei Wegener seine Arbeit, seine Erfahrung heute beigetragen? Wie dem auch sei, die gesamte Branche und wir freuen uns, Wegener heute zu den unseren zählen zu dürfen. Wir hoffen weiter, daß seine Werke mit dazu beitragen, das Ansehen der Kinematographie zu heben und den Film in künstlerischer wie ethischer Hinsicht zu fördern.

"Rübezahls Hochzeit" beweist von neuem, daß es im Film eine Kunst gibt, eine Kunst, die eine eigene, selbständige Beurteilung verdient. Das lebendige Spiel, dessen Wiedergabe in erster Linie dem Film vorbehalten bleibt, hat Wegener in diesem seinem Filmwerk zu hoher künstlerischer Entfaltung gebracht. Der Elfentanz und der Hochzeitsreigen in freier Natur, in der bezaubernden Umgebung, boten Bilder von unvergleichlicher Schönheit und machen den Film zu einem lebendigen Gemälde – bis auf die Schlußszene. Wie künstlerisch Wegener sonst in seinem Film sich die Technik des Films dienstbar gemacht, wie schön er sonst eine Reihe der einfachsten Tricks zur Gestaltung des Ganzen angewandt hat, hier fehlte die Hand des Meisters. Diese Szene erinnert zu sehr an eine Zeit, an die wir selbst nicht mehr denken.

Dessen ungeachtet aber ist "Rübezahls Hochzeit" ein Filmwerk, an dem mit großer Liebe und Sorgfalt gearbeitet, bei dem nicht allein Paul Wegener sein Können einsetzte, sondern auch die übrigen Mitwirkenden wie Lydia Salmonowa und Ernst Waldow zum Gelingen des Ganzen beitrugen.

Die Vorführung im Union-Palast war harmonisch. Kapellmeister Prasch verstand es, das Filmwerk in der richtigen Form musikalisch zu interpretieren und so ging die ganze Versammlung im vollsten Maße befriedigt und in dem Glauben, eine neue Kunst geschaut zu haben, wieder ihrer Wege.

Ist es aber eine neue Kunst, die uns Wegener bot? Ist es ein neuer Weg, auf dem er die Kinematographie zu neuen Zielen führen zu können hofft? Der Film "Rübezahls Hochzeit" ist ein Film von hoher, künstlerischer Bewertung, ein Film der seinesgleichen sucht und selten findet, als einen neuen Weg können wir ihn nicht betrachten. Gebt unseren Regisseuren Zeit, Geld, Geld und nochmals Geld und sie werden euch öfters Films schaffen, die dem Wegenerschen Werk würdig zur Seite treten können.

Für die großen Massen ist dies aber kein Film und auch Wegeners Filmwerke sind auf pekuniären Erfolg angewiesen, wenn sie durchgreifen sollen. (...)

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