Wenn du groß bist, lieber Adam

DDR 1965 Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Der zehnjährige Adam sitzt auf dem Dach eines Hauses unter einem Wald von Fernseh-Antennen, was im sächsischen „Tal der Ahnungslosen“ ohne West-Empfang bereits als erste satirische Spitze interpretiert werden könnte, und liest in einem Buch. Im nächsten Moment liegt er bäuchlings auf dem Perserteppich in der großzügigen elterlichen Wohnung mit besagtem Buch, das ihn zwar fasziniert, dessen Inhalt ihm aber in weiten Teilen unverständlich bleibt. Kein Wunder, wenn es sich dabei um einen Text des hellenistischen Philosophen Plotin über die Natur des Lichts handelt.

Das helle Kerlchen muss nun schon ein halbes Jahr ohne seine Mutter Martha auskommen, die im Schwedter Industriekombinat studiert. Und nur über besprochene Schallplatten mit den beiden Lieben daheim kommunizieren kann. Aber sein Vater Sepp Tember, Physiker und Abteilungsleiter eines großen Elektrobetriebes in Dresden, kann sich mit Frau Sonneberg eine Haushälterin leisten. Und außerdem ist auch noch sein Onkel Konstantin für ihn da, ein sehr weltoffener und dem weiblichen Geschlecht durchaus zugetaner Pfarrer, der ihn immer mit Lesestoff versorgt.

Und ihm auch sonst zu denken gibt außerhalb der Schulweisheit, nach der der Mensch das Produkt seiner Verhältnisse ist. „Ich bin das relative Moment“ weiß Konstantin zu ergänzen, der einst gemeinsam mit Adams Vater an der Uni Physik studiert hat, das aber nur so nebenbei. Weil naturwissenschaftliche Kenntnisse dem Theologen entgegen mancher Behauptung kirchlicherseits nicht schaden, sondern ganz im Gegenteil nützen.

Als Adam eines Tages für einen schwarzfahrenden weißen Schwan das Fahrgeld in der Tram bezahlt, schenkt der ihm dafür beim nächsten Bootsausflug auf dem Teich vor der malerischen Moritzburg eine wundersame Taschenlampe. Diese soll jeden bestrafen, der die Unwahrheit sagt, indem ihr Schein die Lügner durch die Luft schweben lässt. Zusammen mit seinem Vater probiert Adam die Lampe aus – und sie funktioniert: Je krasser die Unwahrheit aus dem Mund des Sprechers, desto höher steigt dieser in die Luft. Bald sind eine ganze Menge Leute als fliegende Untertassen unterwegs.

Das könnte die Rettung für den geplagten, weil stets der Planerfüllung hinterher hechelnden Direktor Ehrenfried Hohmann sein: Er gibt den exakten Nachbau dieser Wunderlampe in Auftrag, um den sich auch die schöne Caroline, technische Zeichnerin in Tembers Büro, kümmert. Leider ist sie versucht, die Liebe ihres Freundes und Kollegen Erasmus auf den Lampen-Prüfstand zu stellen – mit erheblichen Konsequenzen in den nachts stark frequentierten Weinbergen des Elbtals zu schmalzigen Klängen Manni Krugs („Es steht ein Haus in New Orleans“)...

Diese besondere Art von Lügendetektor soll in Serie produziert werden, nachdem es die „Erfindung“ bereits in die Nachrichten des Deutschen Fernsehfunks geschafft hat. Und so ein Filmteam um den Regisseur Musche („Ich habe kein Gefühl, ich habe Vorgesetzte“) anlockt, der dem Phänomen auf den Grund gehen soll. Diesem aber von vornherein misstraut, weshalb er einen schwebenden Lügner inszeniert – in einer der vielen tolldreisten Szenen Egon Günthers.

Nach 16 Jahren, in denen er „sein“ Unternehmen, bei dem es sich natürlich um einen volkseigenen Betrieb handelt, auf jovial-familiäre Art geführt hat, ist Direktor Hohmann dazu genötigt worden, die Karriereleiter hinaufzufallen – wider Willen: „Pläne erfüllen an alter Position, Pläne erfüllen an neuer Position – hoffentlich nicht selber Pläne machen.“ Zu seinem Nachfolger wird der bisherige Stellvertreter Max Eisenreich berufen, der es lieber gesehen hätte, wenn Sepp Tember die verantwortungsvolle Position erhalten hätte. So will er den Ingenieur wenigstens als Gewerkschafts-Leiter an seine Seite holen, da größere Umstellungen zur Erhöhung der Produktivität für Unruhe sorgen dürften.

Adams Vater lehnt dankend ab. Wie er inzwischen auch bezweifelt, dass es Sinn macht, immer zu wissen, ob der jeweilige Gegenüber die Wahrheit sagt. Da kommt ihm die Nachricht gerade recht, dass sämtliche Versuche eines exakten Nachbaus der Wunderlampe gescheitert sind. Er bittet Adam, das gefährliche Gerät, mit dem schließlich auch ein sicherlich verlockender Blick hinter die Kulissen von Betrieb, Politik und Gesellschaft möglich wäre, unter die anderen, harmlosen Serienprodukte zu stellen – und damit unauffindbar zu verstecken.

Schließlich kommt sogar ein Minister zur Visite und hält eine Ansprache an die Belegschaft. Er ist – wie der neue Direktor Eisenreich - offenbar auch ganz froh darüber, dass die Wunderlampe nicht in die Serienproduktion geht. Als er ein Exemplar wie zufällig vom Brückengeländer in die Elbe stößt, hätte die Lampe beinahe einen weißen Schwan getroffen. Und dann taucht plötzlich Adams Mutter Martha auf, wenn auch nur für ein, zwei Tage...

Egon Günthers charmanter, dabei immer wieder ungemein komischer und für Defa-Verhältnisse völlig unverkrampft-heiterer Film ist ein locker kompiliertes Pasticcio aus Szenen der Entlarvung und ihren Folgen für die Entlarvten. Es wechselt unbekümmert die künstlerischen Genres wie die filmischen Stilmittel und springt zwischen augenzwinkernd-realistischer Alltagsbeobachtung, heftigem Klamauk, poetischen Szenen und bisweilen grenzwertig-kitschigen Musicalnummern Manni Krugs hin und her.

Nach den Beschlüssen des 11. Plenums des ZK der SED im Dezember 1965 erfolgte der Produktionsabbruch des Films wegen seiner „undialektischen, relativistischen Auffassung von der Wahrheit“, so Dr. Schauer, Abteilung Filmproduktion der Hauptverwaltung Film im Ministerium für Kultur. Erst 1989/90 konnte er zumindest weitgehend rekonstruiert werden, wobei vernichtete (zwei Kasernenhof-Szenen mit Soldaten der Nationalen Volksarmee konnten nicht wiederhergestellt werden) oder gar nicht gedrehte Dialogstellen durch Einblendungen des Drehbuchtextes ersetzt werden mussten.

„Wenn Du groß bist, lieber Adam“ ist ein Beispiel dafür, dass nicht nur kritische Gegenwartsfilme aus Babelsberg ins Visier der DDR-Zensoren gerieten. Sondern auch philosophisch angehauchte Filmmärchen, selbst wenn sie noch so heiter und spielerisch daherkamen wie die Komödie Egon Günthers, die durch Vojtech Jasnys fantastisch-poetische Satire „Wenn der Kater kommt“, welche die Grundfrage nach dem Verhältnis von Wahrheit und Lüge stellt, angeregt wurde.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Director

Assistant director

Script editor

Director of photography

Assistant camera

Still photography

Production design

Costume design

Music

Cast

Unit production manager

Location manager

Duration:
1950 m, 70 min
Format:
35mm, Totalvision
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 18.10.1990, Berlin, Babylon

Titles

  • Originaltitel (DD) Wenn du groß bist, lieber Adam

Versions

Original

Duration:
1950 m, 70 min
Format:
35mm, Totalvision
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 18.10.1990, Berlin, Babylon