Summary
Documentary film about the Jewish, German-Australian writer Walter Kaufmann, who died in Berlin in 2021 at the age of 97. The film follows in the footsteps of his travels, which he undertook all over the world, for example to the USA, Australia, Japan, Cuba, Israel or East Germany. Significant events, catastrophes and shocks in the history of these and other countries have an impact, in part, up to the present day and are reflected in the life of the cosmopolitan, who not only shared his experiences in successful novels and reportages, but also sided with the persecuted, the disenfranchised and the excluded since his youth.
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„Aus dem Lumpenkind wurde ein Bourgeoiskind“ gibt der 96-jährige Berliner zu Protokoll: Der Adoptivvater sei ein konservativer Rechtsanwalt und Notar gewesen, Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Duisburg und stolz darauf, als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg für sein Vaterland gekämpft zu haben. Was ihm nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nichts genutzt hat: Die Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Walter überlebte den Holocaust, weil er kurz vor Toresschluss mit einem Kindertransport nach England kam. Und nach der Internierung aller Deutschen auf der Insel mit dem berüchtigten Schiff „Dunera“ nach Australien weiterverschickt wurde.
In Melbourne und später in Sidney wurde er eigenen Angaben zufolge nicht nur ausweislich Australier, trat in die Kommunistische Partei ein, diente in der Armee, fuhr zur See und schrieb erste Bücher. Nach der Teilnahme an einem DDR-Schriftstellerkongress mit Anna Seghers, Arnold Zweig und Willi Bredel kehrte Walter Kaufmann Mitte der 1950er Jahre nach Europa zurück. Erste Station: Duisburg. Als Jude und Kommunist habe er sich dort jedoch wie „ein Toter auf Urlaub“ gefühlt.
Zweite Station: Ost-Berlin. Er behielt zeitlebens seinen australischen Pass, konnte um die ganze Welt reisen und seine Erfahrungen, darunter Begegnungen mit Salvador Allende, Martin Luther King, Angela Davis und Überlebenden der Atombomben-Explosion in Hiroshima, in zahlreichen Reportagen und Büchern, die er in seinem Sommerhaus in Born am Darß schrieb, verarbeiten. „Dies ist der Sozialismus, den wir wollen“ schrieb er nach der Begegnung mit Fidel Castro auf Kuba. Ohne sich mit der Staatspartei SED gemein zu machen erschienen seine Bücher in der DDR in hohen Auflagen.
Von 1985 bis 1993 stand Walter Kaufmann als Generalsekretär dem PEN-Zentrum vor. Hochrangige Auszeichnungen wie der Fontane-Preis, der Heinrich-Mann-Preis sowie der Literaturpreis Ruhrgebiet wurden ihm zugesprochen. Als aus dem Statement „Wir sind das Volk“ am Ende des ersten sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden der Slogan „Wir sind ein Volk“ wurde, ahnte er die aus seiner Sicht entsetzlichen Folgen der Wiedervereinigung.
In der 102-minütigen Dokumentation, die am 16. Mai 2023 im New Yorker Angelika Film Center in Anwesenheit von Karin Kaper und Dirk Szuszies USA-Premiere feierte, spiegelt das Leben Walter Kaufmanns weltweit bedeutende Ereignisse, Katastrophen und Erschütterungen des letzten Jahrhunderts, die bis in unsere Gegenwart wirken. Er ist bis zu seinem Tod unermüdlich kämpferisch geblieben. Und hat ein nachwirkendes Zeichen gegen jede Form von Rechtsruck und Antisemitismus gesetzt. So ist der Film „ein Appell an uns Lebende, die elementaren Menschenrechte und demokratischen Errungenschaften entschlossen zu verteidigen“, so Ko-Regisseur und Ko-Kameramann Dirk Szuszies.
Wie ein Roter Faden durchzieht der Briefwechsel von Sally und Johanna Kaufmann mit ihrem Adoptivsohn Walter den Film, beginnend mit dem Kindertransport nach England und endend am Tag der Deportation der Eltern nach Theresienstadt. Entsprechend der Lebens- und Leidensstationen Walter Kaufmanns und seiner Familie werden zeitgeschichtliche Dokumente mit der Gegenwart des 21. Jahrhunderts gespiegelt, etwa in Auschwitz oder Israel und Palästina.
Dirk Szuszies: „Seit seiner Jugend schlägt sich Walter Kaufmann auf die Seite der Verfolgten und Entrechteten dieser Erde. Seine Abenteuerlust ist Ausdruck eines wachen Geistes, der die Welt mit eigenen Augen erfassen will. Es ist eine seltene letzte Gelegenheit für junge und ältere Zuschauer, die Welt aus der Perspektive dieses Zeitzeugen vermittelt zu bekommen.“
Pitt Herrmann