Summary
Schlingensief – A Voice that Shook the Silence
What a joy it is to listen to and watch Christoph Schlingensief once more! His razor-sharp mind, mischievous irony and the political clarity with which he talks about himself, his art and his films in Bettina Böhler’s documentary make us keenly feel the loss of this exceptional artist. But at the same time, here he is, brought back to life on the big screen. In 2020, Christoph Schlingensief would have turned 60. Bettina Böhler’s brilliantly edited work pulls off the considerable feat of retelling his life and oeuvre exclusively from archive footage in just two hours. From Schlingensief’s first Super 8mm films to his Fluxus Oratorio "A Church of Fear vs. The Alien Within", her film spans forty years of creativity that also reflects forty years of (German-)German history, with which Schlingensief radically engaged throughout his life. Böhler masterfully assembles film clips and private videos, recordings of theatre performances and copious hitherto unpublished and newly digitalised material. At the end of this tour de force we are left with the question: Would Schlingensief’s art be conceivable in this form today?
Source: 70. Internationale Filmfestspiele Berlin (Catalogue)
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Bettina Böhlers Dokumentation „Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien“ ist ein Montage-Film mit Ausschnitten aus seinen Filmen, Theateraufzeichnungen, Performances wie dem Pfahlsitzwettbewerb 2003 in Venedig und politischen Aktionen wie der „Chance 2000“ im Bundestagswahlkampf 1998. Der Erzähler ist Christoph Schlingensief selbst, auch bei den wohl erstmals öffentlich gezeigten Super-Acht-Filmen aus seiner Kindheit, die sein Vater, ein Oberhausener Apotheker, gedreht hat. Aber nicht der Erklärer seiner an Thomas Bernhards austriakischem Furor heranreichende Hassliebe zu seinem Heimatland.
Auch die Interviews mit Schlingensief von Alexander Kluge, Gregor Gysi und seinem langjährigen Produzenten Frieder Schlaich und die sehr persönlichen Statements internationaler Stars wie Tilda Swinton und Udo Kier dienen mehr einer – sehr lebendigen, durchaus auch humorvollen und ironischen – Innenansicht dieses singulär produktiven und innovativen Künstlers. Der noch mit dem „Horror in meiner Brust“ vom Krankenlager aus sein afrikanisches Operndorf-Projekt in Burkina Faso auf den Weg brachte.
Wer etwa in Venedig dabei war, wie dieser jungenhafte, spitzbübisch lächelnde Spiritus rector auf halbhohen Baumstämmen in den Giardini trommelte oder in Frank Castorfs Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz zusammen mit Irm Hermann und Josef Bierbichler als seine Eltern im „Atta Atta“-Spektakel die Freiheit der Kunst ausrief, wird in den Statements etwa von Margit Carstensen, Dietrich Kuhlbrodt und Helge Schneider wieder an solche Großereignisse erinnert. An denen, etwa im Hitler-Film, auch der gerade verstorbene Volker Spengler beteiligt gewesen ist. Alle anderen können solche unmittelbaren Bezüge zur eigenen Biographie nicht aufbauen. Können aber immerhin erahnen, welche Persönlichkeit hinter diesen so unterschiedlichen Formaten steckte im nicht breiter vorstellbaren Spektrum zwischen der Wiedervereinigungs-Splatterkomödie „Das deutsche Kettensägenmassaker“ auf der Leinwand und Richard Wagners letztem musikdramatischen Werk, der vom Komponisten selbst Bühnenweihfestspiel genannten Oper „Parsifal“ in Bayreuth.
Der „Schlingensief-Film mit Schlingensief-Mitteln“, so die Regiedebütantin Bettina Böhler, die zu den führenden Filmeditorinnen Deutschlands gehört, nachdem sie mehr als achtzig Spiel-, Dokumentar- und Fernsehfilme für alle großen deutschen Regisseure montiert hat, ist der gebürtigen Freiburgerin des Jahrgangs 1960 eine Herzensangelegenheit. Hat die zweifache Gewinnerin des Deutschen Kritikerpreises für Schnitt und heutige dffb-Dozentin mit Christoph Schlingensief in den 1990er Jahren doch an zwei seiner Filme mitgewirkt, „Terror 2000“ und „Die 120 Tage von Bottrop“: „Ich habe Christoph als klugen, empathischen und auch verletzlichen Menschen erlebt, mit einem untrüglichen Gefühl dafür, den Finger in die Wunde zu legen.“
Pitt Herrmann