Summary
Jonathan is 23; he and his aunt, Martha, work on their farm. Jonathan also devotes himself to looking after his father Burghardt, who has cancer. But, railing against his own decrepitude that prevents him from a dignified end, his father stubbornly sabotages all of his son's efforts. Jonathan finds it increasingly difficult to cope until they hire a young carer, Anka, to help. Jonathan and Anka fall in love; her experience of working at a hospice helps Jonathan to gain a new inroad into his father's situation. When Burghardt's long-lost boyhood friend Ron appears on the scene his health visibly improves and, although the family sees Ron as an intruder and is against it, Ron continues to stay on to be with Burghardt. Jonathan discovers that, many years ago, his father and Ron were deeply in love. All at once, the façade of cherished family beliefs crumbles and long-repressed secrets come to light – but Jonathan also learns how to let go of his father and to accept his death as something that will open up the path towards a self-determined life.
Source: 66. Internationale Filmfestspiele Berlin (Catalogue)
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„Einfach mal raus hier, raus aus dem scheiß Funkloch“: Während Jonathan mit 23 Lenzen für sich keine Perspektive sieht, einmal den Hof verlassen zu können, zieht es seinen besten Kumpel Lasse zum Studium nach Berlin. Immerhin hat Martha, um ihren Neffen bei der Pflege zu unterstützen, mit Anka eine junge, im Umgang mit Schwerstkranken erfahrene Hilfe engagiert. Die mit ihrer fröhlich-unbeschwerten und sehr direkten Art nicht nur einen Weg findet, dass Burghardt die benötigten Medikamente einnimmt, sondern auch sofort einen Zugang zu ihm selbst: Burghardt erzählt Anka bereitwillig aus seinem Leben. Auch Jonathan ist sogleich fasziniert von der unkompliziert-zupackenden jungen Frau, die seinen schon sehr direkten Avancen jedoch zunächst widersteht. Obwohl sie sich mit dem attraktiven Jungbauern gut versteht und sein Hobby bewundert: Jonathan baut aus biegsamem dünnem Holz filigrane, selbst entworfene Lampenschirme. Sie ermutigt sie ihn, etwas aus seinem Talent zu machen. Doch Jonathan hat dafür gerade kein Ohr: sein Vater ist im Haus gestürzt und liegt im Krankenhaus. Nun kann er zwar keine Medikamente verweigern, wohl aber eine größere körperliche Nähe zu seinem Sohn.
„Was willst du hier nach all den Jahren? Für mich bist du tot“: Martha vertreibt einen ihr offenbar sehr wohl bekannten Fremden, der ihren Bruder besuchen will, mit dem Gewehr vom Hof. Nun kommen auch Anka die Verhältnisse der Familie sehr merkwürdig vor. Als sich Burghardts Zustand weiter verschlechtert, sucht Martha besagten Fremden auf und fährt ihn ins Krankenhaus. Burghardt ist nicht wenig überrascht, als er den Besucher erkennt: Es ist Ron, sein Jugendfreund. Und wohl auch etwas mehr, jedenfalls ist die gegenseitige Freude unübersehbar. Ron darf auf dem Hof einziehen, sich um die Pflege Burghardts kümmern und sich auch sonst in Haus und Stall nützlich machen. Jonathan reagiert mit gekränkter Eifersucht, während sein Vater regelrecht aufblüht. Als Anka zwischen die Fronten gerät, packt sie ihre Sachen und lässt einen überforderten Jonathan zurück. Der vergeblich darauf hofft, wenigstens von Ron mehr zu erfahren.
Als die beiden Freunde ans Meer gefahren sind, reist ihnen Jonathan hinterher – und findet beide in einer eindeutigen Situation am Strand vor. Der Vater also schwul, weshalb sich die Mutter umgebracht hat? Jonathan ist außer sich. Und bestätigt ungewollt Ankas These, dass er erst selbst mit seinem Leben klarkommen müsse, bevor er an ein Leben an ihrer Seite denken könne. Jonathan, der zunächst zynisch reagiert und dann auf Rache an seinem Vater sinnt, lernt erst langsam zu verstehen, was Lieben bedeutet. Und dass Lieben auch bedeutet, loszulassen. Am Ende, nach knapp einhundert Minuten, gibt es – auch mit Hilfe der zurückgekehrten Anka - am Sterbebett eine große familiäre Einheit, bei der Urnenbestattung im Friedwald auch eine Versöhnung zwischen Ron und Martha, die einst ein Paar gewesen sind, und eine Zugfahrt von Jonathan und Anka mit seinen Lampen-Konstruktionszeichnungen im Gepäck ins gemeinsame Glück...
Ja, zugegeben, das ist am Ende dick aufgetragen. Eine Nummer kleiner hätte es auch getan. Aber Piotr J. Lewandowski und sein „Bildgestalter“ Jeremy Rouse haben mit sehr viel Mut zur berührenden und überhaupt nicht schwülen Sexszene mit Hennicke und Sarbacher in Burghardts Klinikbett sowie großer Liebe zum Detail für diese Liebes- und Coming-of-Age-Geschichte eine eigene Filmsprache entwickelt. Die konventionell-klischeehaft beginnt mit prasselndem Regen, Bodennebel in romantischen Schwarzwald-Lichtungen und Ganz-Nah-Aufnahmen von Insekten auf dem Hof wie in der freien Natur. Ungewöhnlich auch die Bilder einer archaisch wirkenden konventionell-händischen Landwirtschaft, wie sie sich der städtische „Landlust“-Leser idealerweise vorstellt. Die Piotr J. Lewandowski in seiner Kindheit, welche er zu einem großen Teil auf einem Biohof verbrachte, freilich selbst erlebt hat. Mit jugendlichen Erntehelfern, die im Rahmen von Drogenentzug-Resozialisierung eine Herde Kühe einen sehr steilen Hang durchs Unterholz treiben. Und einer Bäuerin Barbara Auer, die den Stall eigenhändig ausmistet und den dampfenden Naturdung mit der Schubkarre abtransportiert.
Im wahren Wortsinn berührend aber die Bilder der zunächst strikten Abgrenzung und erst ganz allmählichen Annäherung zwischen Vater und Sohn, das Zulassen von körperlicher Berührung, das Verlangen nach Nähe und Zärtlichkeit. „Jonathan“ ist immerhin Lewandowskis Debütfilm als Drehbuchautor und Regisseur, nachdem der in Warschau geborene Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg, der seit 1999 in Deutschland lebt, zuvor vor allem Kurzfilme und TV-Dokumentationen realisierte neben der ZDF-Serie „Götter wie wir“ und seinem Kinodebüt „Die Aufschneider“ als Co-Regisseur von Carsten Strauch. „Jonathan“, mit über 30 internationalen und nationalen Preisen ausgezeichnet, wurde am 30. März 2018 auf Arte erstausgestrahlt.
Pitt Herrmann