Summary
Ingeborg Bachmann - Journey Into the Desert
She is Austrian, he Swiss; she is a poet, he a playwright; she is a daredevil yet vulnerable, he is adventurous but a little conservative. When Ingeborg Bachmann and Max Frisch meet for the first time in Paris in the summer of 1958, they are already international celebrities of the literary world. In the four years that follow, they dabble in great love and an open relationship between his hometown of Zurich and her adopted Rome. Frisch envies her fame; Bachmann finds his typewriter clatter and his jealousy annoying. She is emancipated, experiments with a liberated existence, is mobile and productive; in Berlin, she writes the famous speech: "The Truth is Bearable for Humankind". She only realises afterwards that she is suffering, and by how much – with Adolf Opel in the desert, and with Hans Werner Henze in Italy. Margarethe von Trotta interweaves the times before and after the catastrophe. Her direction is frank, sober and elegant. Ronald Zehrfeld as the corpulent, pipe-smoking Frisch and Vicky Krieps (in the role of another cult figure after Empress Sisi) are the perfect match. This film is not about Bachmann’s fatal end, but about her hopes for love and respect, in literature, and in life.
Source: 73. Internationale Filmfestspiele Berlin (Catalogue)
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Schnitt. Die Frau, es ist die österreichische Lyrikerin und Schriftstellerin Ingeborg Bachmann, blickt aus dem Fenster eines Reisebusses, der durch die Wüste fährt. Sie erinnert sich an ihre erste Begegnung mit dem Schweizer Autor Max Frisch in einem Pariser Hotel im Anschluss an die Premiere seines Schauspiels „Biedermann und die Brandstifter“: die Faszination der so ungleichen Persönlichkeiten ist gegenseitig. Und doch erscheint das Scheitern der dann immerhin vierjährigen Beziehung mit den Stationen Zürich und Rom vorprogrammiert.
Auf der einer Seite eine umschwärmte Lichtgestalt, eine junge, attraktive und durchaus promiskuitive Frau, die sich in der männlich dominierten Literaturszene der Nachkriegsjahrzehnte zu behaupten weiß. Auf der anderen Seite ein zwar offener, allem Neuen aufgeschlossener, letztlich aber doch arrivierter, konservativer Mann mit spießigem Rollenbild. Wenn er am aufgeräumten Schreibtisch sitzt, darin etwa Thomas Mann gleich, verbittet er sich jede Störung von seinem „braven Mädchen“.
In Rom wundert sich Ingeborgs vertrauter Freund, der Komponist Hans Werner Henze, über ihren Entschluss, Freiheit und Unabhängigkeit aufzugeben und zu Max nach Zürich zu ziehen. Der verspricht bei einer Lesung aus seinem Roman „Stiller“, ihr die Wüste zu zeigen, die sie bisher noch nicht gesehen hat. Nun ist Ingeborg in Ägypten – aber ohne Max. Nachdem sich der krankhaft Eifersüchtige von ihr getrennt hat, stürzt Ingeborg in eine tiefe seelische Krise. Obwohl sie sich von Max Frisch ausgebeutet gefühlt und sein Tagebuch verbrannt hat: „Ich war sein Studienobjekt“.
Während Max sich mit Marlene, einer jungen deutschen Stipendiatin der Villa Massimo, tröstet, nimmt Ingeborg das Angebot des jungen Landsmannes Adolf Opel zu einer Orientreise an: Der aufgehende Stern am Wiener Theaterhimmel erinnert sie an ihren jüngeren Bruder Heinz. Sie lässt sich von Adolf Opel im Wüstensand eingraben: Ingeborg Bachmann kann in der Einsamkeit der weiten, kargen Landschaft die so leidenschaftliche wie selbstzerstörerische Liebe zweier individualistischer Künstlernaturen allmählich hinter sich lassen und neuen Lebensmut schöpfen: „Meine Wüste, meine einzige, meine sanfte Vorhölle, meine Erlösung.“
Nach Rosa Luxemburg (1986), Hildegard von Bingen (2009) und Hannah Arendt (2012) widmet sich Margarethe von Trotta in „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ erneut einer historischen Frauenfigur: Unverändert gilt die über Martin Heidegger promovierte österreichische Lyrikerin, die vor 50 Jahren im Alter von nur 47 Jahren unter tragischen Umständen in ihrer Lieblingsstadt Rom aus dem Leben schied, als eine der bedeutendsten Dichterinnen des 20. Jahrhunderts.
Warum sich ausgerechnet die in Klagenfurt geborene Vorreiterin des Feminismus, die neben den Genannten noch mit dem Dichter-Kollegen Paul Celan, dem Essayisten Hans Weigel und dem jüdischen Philosophen Jacob Taubes Liebesverhältnisse unterhielt, von Max Frisch angezogen fühlte, erklärt der hervorragend besetzte Film freilich nicht. Der binnen nur vierzig Tagen unter enormem Aufwand in sechs Ländern entstand. Kameramann Martin Gschlacht gehört übrigens – neben Jessica Hausner – zu den Gründern des Wiener Kreativpools coop99.
Margarethe von Trotta im Alamode-Presseheft: „In Rückblenden zu erzählen, gibt einem die Möglichkeit auszuwählen, im Rückblick nur die Momente zu beschreiben, die man als wesentlich und symptomatisch empfindet. Es hat mir auch die Möglichkeit eröffnet, in zwei verschiedenen Bewegungen zu erzählen: In die Wüste fährt Ingeborg Bachmann geschwächt, am Ende hat sie das Gefühl, erlöst zu sein. Die Erzählung mit Max Frisch verläuft im Gegenrhythmus. Sie beginnt euphorisch und endet traurig.“
Pitt Herrmann