Summary
Lawyer and activist Eren Keskin has advocated for the rights of women, minorities and LGBTIQ in Turkey for over 30 years – not allowing herself to be deterred by the constant risk of being jailed. The director has followed Keskin over many years. Her film draws a portrait of a fearless women and her battle against oppression and violence.
Source: DOK.fest München 2023 / Emre Koca
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An ihrer Seite mit Leman Yurtsever, 1960 in Bingöl, im Dorf Sütlüce geboren, ebenfalls eine Rechtsanwältin kurdischer Herkunft. Beide sind Vorstandsmitglieder im Menschenrechtsverein IHD. Letztere steht freilich nicht so in der öffentlichen Kritik wie die mehrfach zu Haftstrafen wegen „Beleidigung des Türkentums“ verurteilte Eren, die 1999 in ihrem nach eigenem Bekunden „schwersten Fall“ den PKK-Chef Abdullah Öcalan verteidigte. Seither kann sie sich ihres Lebens nicht mehr sicher sein und steht, auch aufgrund ihrer Beiträge für die regierungskritische Zeitung Özgür Gündem, stets mit einem Bein im Gefängnis.
Maria Binder, die an der Freien Universität Berlin Soziologie, Psychologie und Politik studierte und an der Universität der Künste Berlin Videokunst, realisiert seit 1995 eigene Filmprojekte zu den Themen Rassismus, Gender und Menschenrechte als Autorin, Regisseurin und Produzentin. Seit 2003 arbeitet sie ehrenamtlich für Amnesty International und die türkische Menschen- und Frauenrechtsbewegung. Maria Binder, die abwechselnd in Berlin und Istanbul lebt, hat zusammen mit Ko-Regisseurin Ebru Kiranci über mehrere Jahre Leben und Arbeit der mutigen Menschenrechtsverteidigerin Eren Keskin verfolgt.
Das 95-minütige Porträt dokumentiert zum einen die aufreibende Tätigkeit der Anwältin, die heute nach Diyarbakir fliegt, um die im dortigen Gefängnis eingekerkerte Parlamentsabgeordnete Leyla Güven zu betreuen. Und morgen mit einer alevitischen Klientin nach Samandağ reist, ins letzte alevitische Dorf in der Türkei mit christlicher Kirche und christlichem Friedhof, um später auf einer Veranstaltung an den Genozid von 1915 zu erinnern.
Sexualisierte Gewalt gegen Frauen, so Eren Kiskin, steht nicht nur in der Türkei, sondern auch in Kurdistan und den angrenzenden Regionen auf der Tagesordnung – und wird nur in den seltensten Fällen geahndet. Homo- und Transsexuelle werden nicht nur von Staat und Kirche verfolgt, immer wieder verschwinden Inhaftierte spurlos. Wenn häufig viele Jahre später Überreste der Vermissten gefunden werden wie von der Bewegung der „Samstagsfrauen“, gelten die Morde im Staatsauftrag als längst verjährt.
Korrupte Politiker, Polizisten und Juristen, unterdrückte Medien in einem verbrecherischen Staat: Eren, die für ihre Arbeit mehrfach international ausgezeichnet wurde, darunter mit dem Aachener Friedenspreis und dem Amnesty Menschenrechtspreis, lehnt dennoch das Angebot mehrerer Länder ab, ins Exil zu gehen. Einerseits bedeutet das eine Beschäftigungsgarantie für ihren Anwalt Özcan Kiliç, andererseits eine Beruhigung für ihre schon recht betagte Mutter Fatma Sevgi Keskin, deren Betreuerin Anoush für eine gewisse Zeit zu ihrer Familie reist. Im Nachspann ist zu lesen, dass die Mutter kurz nach Beendigung der Dreharbeiten gestorben ist.
„Eren“, eine Koproduktion der beiden Berliner Unternehmen Film Five und Cornix, erhält in diesem Jahr eine zusätzliche Aktualität und Brisanz, da die Republik Türkei im Oktober 2023 ihr 100-jähriges Jubiläum feiert. Der Film erzählt die Türkei auf unterschiedlichen Ebenen und liest sie durch die Augen seiner Protagonistin gegen den Strich. Er zerstört die gängigen Narrative der Türkei und rückt die wunden Punkte der Staatsgründung ins Zentrum der Betrachtung: Vertreibung, Aneignung (Zypern), Vergewaltigung und Genozid.
Pitt Herrmann