Einmart

DDR 1980/1981 Kurz-Experimentalfilm

Summary

"Einmart" counts as the only experimental film ever made in the DEFA cartoon studios. Painter-filmmaker Dammbeck draws a bleak picture of a claustrophobic cosmos whose mutant inhabitants complete their restricted laps. When one of the "head-footers" makes a break for it and takes to the air, he soon comes up against the next set of boundaries. With a runtime of only fifteen minutes, the film is one of the most compact impossibilities of DEFA film history. In 1986, mounting repression forced the director to move from Leipzig to Hamburg. 

Source: Filmfestival goEast 2009

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Heinz17herne
Heinz17herne
Ein die ganze Leinwand füllendes Auge, glücklicherweise ohne Rasierklinge, verweist gleich zu Beginn auf ein Meisterwerk des surrealistischen Kinos, Luis Buñuels 16-minütigen Kurzfilm „Un Chien Andalou“ („Der andalusische Hund“) aus dem Jahr 1929. Straßenlärm ist zu hören, der Sprecher Friedrich-Wilhelm Junge (alternierend mit Dagmar Manzel) liest einen schon rein akustisch unverständlichen wissenschaftlichen Text. Aus dem Auge entwickelt sich eine Maske und diese mutiert zu einer als „Kopffüßer“ in die Kunstgeschichte eingegangene merkwürdige, da nur aus Kopf und zwei Oberarmen bestehende Kreatur Lutz Dammbecks.

Diese bewegt sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit durch eine wüste Gegend, eine Art Kraterlandschaft, begleitet von metallischen Klängen (Musik: Thomas Hertel): Augäpfel, mit langen schlauchartigen Adern mit dem Kopf verbunden, blicken auf eine Gestalt mit aufrechtem Gang, die aus dem Dunkel auftaucht und sich auf Füßen fortbewegt, deren Zehen wie Krallen eines Greifvogels aussehen. Und auch die „Kopffüßer“, die eigentlich „Kopfhänder“ heißen müssten, aus ihrer Froschperspektive staunen lässt. Die Gestalt verschwindet so plötzlich wie sie erschienen ist.

Während im Hintergrund der Name „Heinrich von Ofterdingen“ fällt, historisch nicht belegte Titelfigur eines Sängers aus dem Romanfragment von Novalis, nähert sich die Kreatur unter Opernklängen einem geometrischen Gebilde, das sich bei näherer Betrachtung als Flugobjekt entpuppt, mit dem der „Kopffüßer“ den Flügelschlag eines kleinen Vogels nachahmend in die Lüfte entschwebt – bis er von einer für ihn offenbar unsichtbaren Wand in die Wüste zurückgeworfen wird…

Lutz Dammbecks surrealistische „Parabel auf den deformierten Menschen“, so Ralf Schenk („Eine kleine Geschichte der DEFA“), hat nach der Uraufführung Mitte Oktober 1981 beim 4. Nationalen Festival für Kurz- und Dokumentarfilme der DDR in Neubrandenburg „die Gemüter und die Staatssicherheit“ erregt. So schrieb Marion Rasche, Chefdramaturgin beim Volkseigenen Betrieb DEFA-Studio für Trickfilme Dresden, am 6. November 1981 an Horst Pehnert, stellv. Kulturminister und Leiter der Hauptverwaltung Film: „Alle in irgendeiner Weise brisanten Ideen sind nicht möglich. Gerade darauf musste ich mich erst neulich von einem Genossen des Min. für Staatssicherheit hinweisen lassen. Und es war bei weitem nicht nur Dammbecks ‚Einmart‘ gemeint.“

Lutz Dammbeck im täglich erschienenen „Flugblatt“ des Neubrandenburger Festivals über „Einmart“: „Ein Grundgedanke löst sich auf in Details, die dadurch mutieren bzw. degenerieren. Eine Figur, die entdeckt, dass ihre angenommene Identität ein grandioser Selbstbetrug ist, abgespeist mit der Reproduktion des Ideals. Die sich auf den mühevollen Weg der Erkenntnis begibt, an dessen vorläufigen Ende die Frage steht, bekanntes Glück gegen unbekanntes Glück aufs Spiel zu setzen.“

Man kann die verklausulierte Sprache Dammbecks im Neubrandenburger „Flugblatt“ über den naturgemäß provozierenden Gehalt seines Kurz-Experimentalfilms herunterbrechen: Das durch den schwarzen Riesen eh‘ in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkte Wesen scheitert beim Versuch, der eingemauerten Wüste durch die Luft zu entkommen. Die Diskussionen beim Festival müssen heftig gewesen sein. Wie Ralf Schenk schreibt, hat DEFA-Kollege Jürgen Boettcher die künstlerische Freiheit Dammbecks „vehement“ verteidigt.

„Einmart“ ist als einziger in Dresden entstandener Experimentalfilm (PL Helga Kurth) am 27. November 1981 als Begleitfilm zum Kino-Hauptprogramm angelaufen und hat sich, so Ralf Schenk, „zum Kultfilm in den Filmclubs der DDR“ entwickelt. Für die Oberhausener Kurzfilmtage, die den Flachfiguren-Zeichentrickfilm als westdeutsche Erstaufführung zeigen wollten, gab es keine Freigabe.

Pitt Herrmann

Director

Screenplay

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Heinz17herne
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Ein die ganze Leinwand füllendes Auge, glücklicherweise ohne Rasierklinge, verweist gleich zu Beginn auf ein Meisterwerk des surrealistischen Kinos, Luis Buñuels 16-minütigen Kurzfilm „Un Chien Andalou“ („Der andalusische Hund“) aus dem Jahr 1929. Straßenlärm ist zu hören, der Sprecher Friedrich-Wilhelm Junge (alternierend mit Dagmar Manzel) liest einen schon rein akustisch unverständlichen wissenschaftlichen Text. Aus dem Auge entwickelt sich eine Maske und diese mutiert zu einer als „Kopffüßer“ in die Kunstgeschichte eingegangene merkwürdige, da nur aus Kopf und zwei Oberarmen bestehende Kreatur Lutz Dammbecks.

Diese bewegt sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit durch eine wüste Gegend, eine Art Kraterlandschaft, begleitet von metallischen Klängen (Musik: Thomas Hertel): Augäpfel, mit langen schlauchartigen Adern mit dem Kopf verbunden, blicken auf eine Gestalt mit aufrechtem Gang, die aus dem Dunkel auftaucht und sich auf Füßen fortbewegt, deren Zehen wie Krallen eines Greifvogels aussehen. Und auch die „Kopffüßer“, die eigentlich „Kopfhänder“ heißen müssten, aus ihrer Froschperspektive staunen lässt. Die Gestalt verschwindet so plötzlich wie sie erschienen ist.

Während im Hintergrund der Name „Heinrich von Ofterdingen“ fällt, historisch nicht belegte Titelfigur eines Sängers aus dem Romanfragment von Novalis, nähert sich die Kreatur unter Opernklängen einem geometrischen Gebilde, das sich bei näherer Betrachtung als Flugobjekt entpuppt, mit dem der „Kopffüßer“ den Flügelschlag eines kleinen Vogels nachahmend in die Lüfte entschwebt – bis er von einer für ihn offenbar unsichtbaren Wand in die Wüste zurückgeworfen wird…

Lutz Dammbecks surrealistische „Parabel auf den deformierten Menschen“, so Ralf Schenk („Eine kleine Geschichte der DEFA“), hat nach der Uraufführung Mitte Oktober 1981 beim 4. Nationalen Festival für Kurz- und Dokumentarfilme der DDR in Neubrandenburg „die Gemüter und die Staatssicherheit“ erregt. So schrieb Marion Rasche, Chefdramaturgin beim Volkseigenen Betrieb DEFA-Studio für Trickfilme Dresden, am 6. November 1981 an Horst Pehnert, stellv. Kulturminister und Leiter der Hauptverwaltung Film: „Alle in irgendeiner Weise brisanten Ideen sind nicht möglich. Gerade darauf musste ich mich erst neulich von einem Genossen des Min. für Staatssicherheit hinweisen lassen. Und es war bei weitem nicht nur Dammbecks ‚Einmart‘ gemeint.“

Lutz Dammbeck im täglich erschienenen „Flugblatt“ des Neubrandenburger Festivals über „Einmart“: „Ein Grundgedanke löst sich auf in Details, die dadurch mutieren bzw. degenerieren. Eine Figur, die entdeckt, dass ihre angenommene Identität ein grandioser Selbstbetrug ist, abgespeist mit der Reproduktion des Ideals. Die sich auf den mühevollen Weg der Erkenntnis begibt, an dessen vorläufigen Ende die Frage steht, bekanntes Glück gegen unbekanntes Glück aufs Spiel zu setzen.“

Man kann die verklausulierte Sprache Dammbecks im Neubrandenburger „Flugblatt“ über den naturgemäß provozierenden Gehalt seines Kurz-Experimentalfilms herunterbrechen: Das durch den schwarzen Riesen eh‘ in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkte Wesen scheitert beim Versuch, der eingemauerten Wüste durch die Luft zu entkommen. Die Diskussionen beim Festival müssen heftig gewesen sein. Wie Ralf Schenk schreibt, hat DEFA-Kollege Jürgen Boettcher die künstlerische Freiheit Dammbecks „vehement“ verteidigt.

„Einmart“ ist als einziger in Dresden entstandener Experimentalfilm (PL Helga Kurth) am 27. November 1981 als Begleitfilm zum Kino-Hauptprogramm angelaufen und hat sich, so Ralf Schenk, „zum Kultfilm in den Filmclubs der DDR“ entwickelt. Für die Oberhausener Kurzfilmtage, die den Flachfiguren-Zeichentrickfilm als westdeutsche Erstaufführung zeigen wollten, gab es keine Freigabe.

Pitt Herrmann