Summary
Bloom of Yesterday
Totila Blumen is a Holocaust researcher. As such, he has no sense of fun. This applies in a general sense and specifically when his colleagues try to turn an Auschwitz conference into a corporate-sponsored media event. In the process, they trample all over the memory of the recently deceased Professor Norkus – whom Totila revered. On top of all this, Totila is lumped with an intern: a very young and irritating French student named Zazie. As she follows Totila like a puppy and has a fling with his boss, the otherwise ser ious and measured academic becomes a nervous wreck. But it’s no good moaning about it – certainly not to his stressed wife, who demands that he gripe less and learn to accept what his life has to offer. And so Totila ploughs on with his work, aided by the overwrought, eccentric Zazie. She, however, appears to have an agenda of her own – and it’s closely related to Totila’s background and well-guarded family secret.
Source: German Films Service GmbH
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Norkus hat aus sicherer Entfernung samt Schoßhund Ghandi einer harten körperlichen Auseinandersetzung zwischen „seinem“ Juniorprofessor und designierten Nachfolger, dem 40-jährigen Historiker Totila „Toto“ Blumen (Lars Eidinger), und dessen Chef Balthasar „Balti“ Thomas (Jan Josef Liefers), zugesehen – und nicht eingegriffen. In der Folge muss Balti eine schauerliche – und, mit Verlaub, höchst alberne – Kiefernschiene tragen, als er zusammen mit Toto seine um einiges jüngere französische Geliebte Zazie Lindeau (Shooting-Star Adèle Haenel) vom Flughafen abholt.
Die Studentin tritt als Praktikantin an die Seite Totos, der nun nach dem plötzlichen Tod Professor Norkus' einen seit langem geplanten wissenschaftlichen Auschwitz-Kongress leiten und zunächst die Referentenliste komplettieren soll. Ein Ansinnen, dem er sich gerade noch allzu handfest widersetzt hat: Wie kann er das Erbe des von ihm hoch verehrten Professors antreten, wenn sein Vorgesetzter Balti ein werbefinanziertes Medien-Event daraus machen will und ausgerechnet das durch enge Verknüpfung mit dem Dritten Reich belastete Unternehmen Mercedes-Benz als Hauptsponsor für den Kongress gewonnen hat?
Toto, über die eigene, von Lisbeth Blumen (Bibiane Zeller) verkörperte Familiengeschichte zum verstörten, ja traumatisierten Misanthropen geworden, steckt gerade in seiner tiefsten Lebenskrise – die sich immer häufiger auch in unkontrollierten Gewaltausbrüchen zeigt. Seinen hohen moralischen Anspruch, resultierend aus Scham über die Nazi-Vergangenheit seiner Großeltern und diffusen eigenen Schuldgefühlen, setzt er auch auf seine unmittelbare Umgebung an.
Beruflich als Holocaust-Forscher im Ludwigsburger Institut und privat bei seiner zunehmend verbitterten Gattin, der Tierärztin Hannah Blumen (mit exorbitantem Fat Suit: Hannah Herzsprung), die von Vergangenheitsbewältigung nichts mehr hören will und sich in den letzten Monaten geradezu einen Panzer zugelegt hat gegen die Zumutungen ihres Ekelpaketes von Gatten. Vergeblich mahnt Hannah, er solle sich mit den Gegebenheiten des Lebens arrangieren statt dauernd mit sich und der Welt zu hadern – und endlich wieder seinen ehelichen Pflichten nachkommen.
„Mein zweiter Name ist Terror“: Bei der nervigen französischen Studentin Zazie, die ihm beinahe bis aufs Klo folgt wie ein Hündchen, beißt Toto auf Granit. Die exzentrische junge Frau mit ausgeprägter Phobie gegen deutsche (Schäfer-) Hunde, in einer Bruchbude von Gästewohnung untergebracht, offenbart durchaus eigene traumatische Züge. Sie besteht darauf, die Wohnung des verstorbenen Professors Norkus zu sehen – in der Hoffnung, in dieser vollgestellten Holocaust-Mahnstätte fündig zu werden. Ist Zazie doch die Enkelin jüdischer Holocaustopfer – und auf wundersame Weise mit Totos Familiengeschichte verbunden.
„Mein zweiter Name ist Peace und Harmonie“: Die häufig so spontan auftretende Französin kann auch anders. Was sich zeigt, als es gilt, Tara Rubinstein (der einstige Wiener „Burg“-Star Sigrid Marquardt in ihrer letzten Rolle, sie verstarb 91-jährig im August 2016) zu bearbeiten. Die 93-jährige Auschwitz-Überlebende will nach dem Tod ihres alten Freundes Norkus die Schirmherrschaft des geplanten Kongresses, bei dem sie die Eröffnungsrede halten soll, niederlegen und sich nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen.
Toto und Zazie setzten alles daran, die bärbeißige Dame, die ihre exzentrische Haltung mit geradezu aristokratischer Grandezza in Szene zu setzen weiß, umzustimmen – und kommen sich dabei näher. Was auch noch anhält, als Balthasar Thomas davon Wind bekommt – und sich plötzlich als durchaus zu Empathie fähiger Karrierist entpuppt. Ein beruflicher Aufenthalt im romantischen Wien und besonders ein Abend zu zweit im Cafe Sperl könnten den Ausschlag für einen Neuanfang geben. Dann stellt sich heraus, dass Totos Großvater und Zazies Großmutter Rebecca Rosenkranz Klassenkameraden in Riga gewesen sind. Back to the roots: Beide fliegen in die lettische Hauptstadt, besuchen das Gymnasium, den Friedhof. Eine Befreiung für beide, den Enkel des Täters, dessen Großvater die Familie Rosenkranz ins Gas geschickt hat, und die Enkelin der Opfer. Aber doch nur eine Episode. Als sich beide fünf Jahre später zufällig beim Christmas Shopping in New York wiedersehen, sind Hannah und Toto Blumen wieder ein Paar – und Zazie hat eine reizende kleine Tochter an ihrer Seite...
Chris Kraus ist ein hohes Risiko eingegangen: Für eine deutsche Holocaust-Komödie, die sich an amerikanischen Screwball Comedys orientiert, aber ausdrücklich auch Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ zum Vorbild erkoren hat, ist das heimische Feuilleton offenbar immer noch nicht reif genug. Dabei spielt „Die Blumen von gestern“, uraufgeführt am 25. Oktober 2016 bei den Int. Filmtagen in Hof, am 12. Januar 2017 in die Kinos gekommen und am 29. November 2019 in der ARD erstausgestrahlt, nicht mit dem Grauen, es gibt binnen freilich bisweilen sehr langer 126 Minuten nicht eine einzige historische Rückblende. Die tragikomische Liebesgeschichte spielt in der Jetztzeit, in der Enkel-Generation, und will vor allem eine – für viele offenbar nach wie vor unmöglich erscheinende – Versöhnungsgeschichte sein. Zu der es durchaus reale Vorbilder gibt.
Pitt Herrmann