Summary
Cicero
The documentary "Cicero" pays tribute to the exceptional musicians 'Mr. Golden Hands' Eugen Cicero and his son Roger Cicero – portraying the highs, the lows and the cracks of their outstanding music careers. Well-known companions and contemporary witnesses create a dense cinematic network and illuminate a genius that reinvented himself repeatedly and, on the other hand, an exceptionally successful and talented singer, who died at the height of his career. The story presents two remarkable biographies and reveals a unique father-son relationship. "Cicero" focuses on a unique musical legacy: ingenuity paired with an unparalleled passion that drove the protagonists back on stage time and time again. Overcoming boundaries and pigeonholing shaped the years of their lives - their way of thinking, their actions and their music. Two emotionally profound and closely interwoven life stories with a tragic and moving ending.
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Eine Vielzahl von Weggefährten des Vater-Sohn Gespanns (u.a. Till Brönner, Ack van Rooyen, Willy Ketzer, Fleurine Mehldau) geben Statements zu den beiden Musikern ab. Laut seiner Mit-Musikstudentin Fleurine Mehldau stand für Roger sein Vater Eugen ganz oben auf einem Heiligen-Sockel stand. Besonders psychologisch eindrucksvoll lautet ein sinngemäß zitierter Satz von seinem Vater, der Roger wohl bis ins Mark getroffen hat: „Roger, Du bist Sänger, kein Instrumentalist. Singen hat nicht den gleichen Stellenwert wie ein Instrument“.
Weitere Personen erzählen von den mühevollen Anfangszeiten. Nach einem Studium an der Musikhochschule Hilversum und einem anschließenden Umzug nach Amsterdam erlebt der Sänger 1997 den Tod seines Vaters. Roger ertränkt seinen Schmerz mit Alkohol. Freunde empfehlen die Rückkehr nach Hamburg. Dort findet er im Nachtclub „Angies“ einen Brot-Job als Sänger. Drei bis viermal in der Woche hatte er dort mit einer bunten Künstlerschar von 11 Uhr abends bis vier Uhr in der Früh seine Auftritte. Die Gäste kamen um Party zu machen und zu tanzen. Im Umfeld des Nachtclubs war Alkohol- und Drogenkonsum wohl die Regel. Nach einiger Zeit bekam aber Roger die Kurve und änderte sein Leben, um nicht zu versinken. Um den Schmerz über den Tod des Vaters zu betäuben, rauchte er zu viel und war dem Alkohol zugetan. Eine heilsame Überlegung von ihm war – um dem Rauschmittelkonsum zu entfliehen - war die Feststellung, dass das Leben zu kurz sei, um berauscht zu leben. Plötzlich sprach er von Yoga, gesunder Lebensweise und Glück im Alltag. Im Hinterkopf hatte er immer, dass sein Vater mit 57 Jahren wegen starkem Alkohol-Konsum an einem Hirninfarkt verstorben war.
Musikalisch kam der Nachwuchs-Sänger durch die Zusammenarbeit mit der Band „Soulounge“ voran. Da die Band öfters mit Künstler zusammenarbeitete, die vorher nie miteinander musiziert hatten, war eine exzellente Vorbereitung auf die Gigs notwendig. Dem Publikum erschienen sie aber wie Jam-Sessions, die im Jazz üblich sind. Die Band entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer der renommiertesten deutschen Soulbands.
2003 arrangierte Lutz Krajenski für Roger und seine Big Band mehrere Jazz-Standards wie „Cheek to Cheek“, die dann der Sänger auf der Bühne präsentierte. Er war damals noch kein Show-Mann, keine „Rampensau“, der die großen Bühnen beherrschte und das Publikum im Saal in Stimmung brachte. Er machte seinen Job als Sänger, distanziert und professionell. Jazz war eine der Lieben von Roger, da er die musikalische Vielfalt dieser Gattung liebte. Helge Zumdiek, Willy Ketzer und Jiggs Whigham – erfahrene, professionelle Jazz-Größen – erläutern für den Betrachter die Besonderheit des Jazz. Für sie ist Jazz die musikalische Freiheit, basierend aber auf festen Regeln.
Der Film wechselt dann zur Person Eugen Cicero. Dieser wurde 1940 in einem abgelegenen Bergdorf nahe dem Ort Klausenburg in den Karpaten (Rumänien) geboren. Eugen begann im Alter von vier Jahren mit dem Klavierspiel und mit sechs Jahren gab er ein Mozart-Klavierkonzert mit dem Sinfonieorchester von Klausenburg. Später studierte er an der Musikhochschule Bukarest. Im Laufe der Zeit erwarb er sich den Ruf der talentierteste Jazzpianist im gesamten Ostblock zu sein. Als er mit seinem Sextett 1962 in Ost-Berlin gastierte, setzten sich die Musiker nach West-Berlin ab. Er fand sehr schnell Anschluss an die Jazz-Szene in der Bundesrepublik. „Mr. Golden Hands“ war sein Spitzname in der Szene, weil sein Spiel locker, gleichzeitig leicht und genial herüberkam. Er wurde mit seinen Jazz-Interpretationen und -Bearbeitungen von barocken, klassischen und romantischen Werken bekannt. Seine Interpretationen von Jazzstandards enthielten häufig Musikzitate aus klassischen Werken.
Der Schlagzeuger Charly Antolini vermittelte ihn an die Plattenfirma SABA/MPS, die von Hans Georg Brunner-Schwer (HGBS) geleitet wurde. Damals war Cicero weitgehend in Deutschland unbekannt. Bei der Aufnahme in den Räumen der MPS kam HGBS bereits nach der zweiten Aufnahme zu Antolini und sagte, er würde ausnahmslos alle Aufnahmen der nächtlichen Session veröffentlichen. Es wurden 21 Titel in dieser Nacht von Eugen Cicero am Piano, Charly Antolini am Schlagzeug und Peter Witte am Bass eingespielt. Das Honorar war über 1200 DM, für Antolini eine riesige Summe. Einer der ersten Platte bei MPS hieß „Rokokko Jazz“. Diese markierte seinen ganz großen Durchbruch, der sich weltweit über eine Million Mal verkaufte. Bei MPS wurden in den folgenden Jahren insgesamt sieben Schallplatten eingespielt.
Einen Riesenerfolg war ein Auftritt 2005 für Roger in der Hamburger Musikhalle. Durch einen glücklichen Zufall lernte er an diesem Abend die Managerin Karin Heinrich und den Promoter Freddie de Wall kennen. Zusammen mit dem erfolgreichen Produzententeam von Annett Louisan - Frank Ramond und Matthias Haß - und seinem Freund Lutz Krajenski fanden die genannten Personen eine Erfolgsformel. Deutsche Pop-Texte mit Swingmusik-Einschlag und einer zugehörigen Big Band. Die Firma Warner stellte dann ein Budget zur Verfügung, um das Showkonzept zu realisieren. Für alle Bereiche wurden die besten Leute engagiert. Visuell war ein Umbruch angesagt. Die Musiker, die eigentlich Jazz spielten, waren wenig begeistert. Schuhe, Schlipse, Gürtel, Anzug, Hüte wurden designt und angepasst. Autogrammkarten wurden gedruckt. Und der Zufall half weiter. Der Sender Pro Sieben stellte u.a. Sendezeit, die nicht verkauft werden konnte, in einer Sendereihe „Starwatch“ zur Verfügung. Natürlich gegen Beteiligung an den Einnahmen der Konzerte. Auch für Roger mit seiner Bigband unter Leitung von Lutz Krajenski. Ungläubig blicken Bassist Hervé Jeanne und Schlagzeuger Mathias Meusel an die Zeit zurück, wie Konzerthallen immer größer wurden in den gespielt wurde., teilweise vor Zehntausenden Zuschauer gespielt wurde. Jazzer spielen - wenn es gut läuft - vor 500 bis 700 Leuten.
Das 2006 aufgenommene Album „Männersachen“ mit dem Erfolgstitel „Zieh die Schuh‘ aus“ schoss durch die Decke und wurde zum Chartstürmer. Sehr viele Fernsehauftritte, Reportagen in Frauen-Zeitschriften waren die Konsequenz seiner wachsenden Popularität. Das Management hatte das Problem die Karriere am Laufen zu halten.
2007 gewann er bei der deutschen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest mit dem Song „Frauen regieren die Welt“. Mit dem Titel vertrat er Deutschland beim Eurovision Song Contest 2007 in Helsinki. Er belegte Rang 19 von 24 Plätzen. Eigentlich eine Blamage, aber der Nichterfolg entwickelte sich in Deutschland zu einer Solidarisierungsbewegung des Publikums. Roger erlebte einen wahren Push seiner Karriere.
Geistreicher Kommentar von Charly Antolini zu Entwicklung der Karriere von Eugen: Sinngemäße Zitate: „Eugen, bitte spiel Deine Musik. Spiel mit Nils Henning Orstedt Pedersen und mir. Du hast ein wunderbares Trio. Du kannst ein Weltstar werden. Meide die Gaststätten zum blutigen Daumen. Spiele Konzertsäle…. Aber er nahm lieber viele hochprozentigen Erfrischungen zu sich“. Eugen verließ seine Familie und Berlin und ging nach München. Dort erlebte er große Abstürze. Auch sein Bruder Adrian nennt Alkohol- und Drogenkonsum verhängnisvoll. Das Leben verlief chaotisch. Für seinen Sohn Roger stand nur wenig gemeinsame Zeit zur Verfügung. Nach vier Jahren in München ging der Pianist in die Schweiz und versuchte sein Leben zu ordnen. Seine neue Lebensgefährtin Angelika Meier versuchte ihm Stabilität und Liebe zu geben. Roger kam dann immer öfter in den Ferien in die Schweiz. Mit vierzehn Jahren erzählte er der Lebensgefährtin Angelika Meier sein Berufswunsch Musiker werden zu wollen. Mit Hilfe seiner holländischen Manager Ria und Wim Wigt gelang es Eugen an seine früheren Erfolge anzuknüpfen. Sehr großen Erfolg hatte er in Japan.
Roger arbeitete dann 2007 an seinem zweiten Album „Beziehungsweise“. Erste Schwierigkeiten deuten sich Liedtext-Bereich an. Der Sänger wollte mehr Mitbestimmung und mehr Authentizität. Beim dritten Album „Artgerecht“ war das Thema Swingmusik und deutsche Texte wohl erschöpft. Die Idee entstand, etwas vollkommen Neues zu probieren.
Im März 2014 erschien sein fünftes Album „Was immer auch kommt“. Danach kam es zu Absagen der Tourneen 2014 und 2015. Roger litt an einem Erschöpfungssyndrom. Er nahm sich eine Auszeit. Bereits nach der Tournee zu seiner vierten Platte „In diesem Moment, äußerte den Wunsch wieder mehr Jazz spielen zu wollen.
Das Arbeiten auf zwei Ebenen – Pop und Jazz – machte ihm sichtlich Spaß. Sein Vater hatte nie diese Chance. Bei seiner Zeit in Zürich wollte er sich dem Stress des Tourneelebens nicht mehr aussetzen. Cicero meinte, jeder Auftritt würde ihn Lebenszeit kosten. Er merkte wohl, dass seine Zeit gekommen war. Ein weiterer berührender Moment kommt. Eugen musiziert und seine kleine Tochter Christiana tanzt mit ihrem Kuschelbären dazu.
Der emotional berührendste Moment wird dann in Erzähl-Form vorbereitet. Roger besuchte seinen Vater in Zürich, um eine Ferienwoche zu verbringen. Roger fand seinen Vater am letzten Ferientag tot in seinem Bett. Die erzählenden Menschen sind fassungslos, nachdenklich, traurig und betroffen über dieses Schicksal. Dann kommt der eigentliche Höhepunkt – das Lied „Ich hätte so gern Tschüss gesagt“. Mit Pianobegleitung und Orgeleinwürfen zelebriert er vollkommen bewegt diesen Song.
Roger starb am 24. März 2016 im Alter von 45 Jahren an der gleichen Krankheit wie sein Vater - an einem Hirninfarkt. Eine der großen Hoffnungen für den Jazz-Gesang, der auch eine internationale Karriere hätte erreichen können, war verglüht.
Fazit
Zu Recht hat der besprochene Film das Prädikat „Besonders wertvoll“ bekommen. Emotional bewegende Momente werden stimmig gezeigt, kein plakativer Kommentar stört diese Augenblicke. Hervorragende Recherche-Arbeit durch die Autorin/Produzentin Katharina Rinderle. Der Rezensent hat nur einen Einwand. Es wird eine Vielzahl von Personen im Film zu ihrer Meinung befragt. Diese Vielzahl erschlägt den Betrachter. Teilweise sind die Personen im Film nicht benannt oder ihre Funktion ist nicht klar.
Aus der Sicht eines Jazz-Fans seien folgende Anmerkungen gestattet. Nicht erwähnt wird die Rolle von Peter Herbolzheimer und dem BuJazzO. Nach einer Zwischenstation am Hohner-Konservatorium in Trossingen (Schwarzwald) kam Roger als 18-Jähriger mit Peter Herbolzheimer und dem Bundes-Jazzorchester (BuJazzO) in Kontakt und nahm an einigen Workshops mit den genannten Protagonisten teil. Auf Empfehlung von Peter Herbolzheimer begann er dann ein Studium in Hilversum (Holland) an der Musikhochschule. Die Rolle des 2005 entstandenem Quintett „Afters Hours“ wird nicht deutlich. Mit dieser Vorläufer-Band der späteren „The Roger Cicero Jazz Experience“ nahm Roger Cicero ein von der Fachwelt positiv beurteiltes Jazz-Album „There I Go“ auf.