Anziehendes

DDR 1955 Kurz-Dokumentarfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Karl-Marx-Allee, „der“ Prachtboulevard des neuen Berlin, der Hauptstadt der DDR. Im HO-Modegeschäft herrscht reges Treiben, Verkäuferinnen beraten Kundinnen, die neue, rauschende Kleider anprobieren. Und bei strahlendem Sonnenschein das Geschäft mit einem Lächeln verlassen – gleich im neu erworbenen Outfit. Das Lächeln gefriert freilich bald, als der über ihren Kauf so glücklichen Dame gleich ein Dutzend und mehr Geschlechtsgenossinnen in dem gleichen bunten Muster entgegenkommen: chic und flott, sehr weiblich - aber einheitlich.

„Der Stoff ist ein Schlager, die Frauen reißen sich darum“ zeigt sich dagegen der Einkäufer von der staatlichen Handelsorganisation (HO) zufrieden. Da kann das Entwurfsbüro noch so viele neue Vorschläge machen. An Mustern ist wirklich kein Mangel, manche orientieren sich an sorbischen Volkstrachten, andere versuchen, das Dirndlkleid neu zu erfinden. Doch für den Einkäufer ist das Altbewährte immer noch die beste Entscheidung und das Mut zur Lücke aufweisende Muster des Instituts für Bekleidungskultur landet im Papierkorb.

Geschmack, Phantasie und Wissen seien die Grundvoraussetzungen, damit aus Stoffen fertige Modelle werden, klärt der Sprecher Tankmar Herzig aus dem Off auf (Text: Rudolf Schmal). Die Entwerferin verlässt ihren Arbeitsplatz, um sich Anregungen zu holen – draußen in der Natur ebenso wie im Museum. Auch die Accessoires müssen stimmen, bevor die neuen Kreationen auf den Laufsteg geschickt werden, der in diesem Fall samt Big-Band-Orchester im Park von Sanssouci steht. Wie überhaupt Lisette Mahlers nur 15-minütiger Film, der Spielfilm-Elemente mit der Dokumentation vereint nach einem Szenarium von Sybille Gentner, mit populärem Jazz unterlegt ist: Mitte der Fünfziger Jahre stand die Musik noch nicht im Mittelpunkt des ideologischen Abwehrkampfes gegen den dekadent-kapitalistischen Westen, war die Entscheidung im Kampf der (Wirtschafts-) Systeme noch offen. „Import? Denkste Kollege“, klärt der Instituts-Vertreter den HO-Einkäufer auf, „haben wir alles allein gemacht.“ Mode made in GDR – sozusagen. Und zum Zuge gekommen ist doch der einst im Papierkorb gelandete Entwurf...

In „Anziehendes“, als Beiprogramm in den Kinos am 25. November 1955 gestartet, erzählt Lisette Mahler eine kleine, mit leiser Ironie grundierte Geschichte. Die Regisseurin mit ungewöhnlichem Werdegang, sie absolvierte zunächst die Fachschule für Fotografie bevor sie zur Defa kam, hat nur bis 1957 vor allem Industrie- und Werbefilme für das Defa-Studio für populärwissenschaftliche Filme gedreht – hier zusammen mit Kameramann Heinz Thomas unter Produktionsleiter Heinz Kaerstens.

Cornelia Klauß, Co-Kuratorin der Berliner Zeughauskino-Reihe „Sie – Regisseurinnen der Defa und ihre Filme“ im September 2019: „Es sind Gesten, Kleider und Körper, eingebettet in verschiedene Genres, die von der Entdeckung der Weiblichkeit handeln: Lisette Mahler, die zahlreiche Werbe- und Industriefilme in den 1950er Jahren schuf, nutzt in ‚Anziehendes‘ die Vorstellung eines Bekleidungsinstituts für ironisch-heitere Betrachtungen zur ‚modischen Bekleidung‘ a la DDR.“

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Duration:
419m, 15 min
Format:
35mm
Video/Audio:
Agfa Wolfen, Ton
Screening:

Erstaufführung (DD): 25.11.1955

Titles

  • Originaltitel (DD) Anziehendes
  • Weiterer Titel (DD) Stoffe, Muster, Kleider
  • Weiterer Titel (ENG) Alluring Attire

Versions

Original

Duration:
419m, 15 min
Format:
35mm
Video/Audio:
Agfa Wolfen, Ton
Screening:

Erstaufführung (DD): 25.11.1955